Eve ist mächtiger als die meisten anderen Lebewesen. Als sie aber eine Mission annimmt, deren Preis sie nicht ablehnen kann, beginnt sie daran zu zweifeln, ob sie dafür stark genug ist. Mit Vampiren, schurkischen Werwölfen und bösen Gottheiten, die hinter ihr her sind, wird Eves Entschlossenheit auf die Probe gestellt – und das noch bevor sie ihren Gefährten findet …
Aus der Welt von Die Millennium Wölfe
Altersfreigabe: 18+
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1
Eve ist mächtiger als die meisten anderen Lebewesen. Als sie aber eine Mission annimmt, deren Preis sie nicht ablehnen kann, beginnt sie daran zu zweifeln, ob sie dafür stark genug ist. Mit Vampiren, schurkischen Werwölfen und bösen Gottheiten, die hinter ihr her sind, wird Eves Entschlossenheit auf die Probe gestellt – und das noch bevor sie ihren Gefährten findet …
Aus der Welt von Die Millennium Wölfe
Altersfreigabe: 18+
Autorin: Sapir Englard
Übersetzerin: Yola Schmitz
28. Oktober 2017
New York
Ich sah ihn, bevor er mich sah. Er war ein paar Meter entfernt, aber ich wusste sofort, dass er es war. Ich konnte ihn spüren.
Mein Blick glitt über seine goldbraune Haut, die starken Oberarme, die sich abzeichnenden Bauchmuskeln, das markante Kinn.
Vielleicht war es unvorsichtig, ihn so schamlos zu mustern. Ich wollte nicht, dass er mich erwischte. Er durfte mich nicht erwischen. Das würde alles zunichtemachen.
Aber ich versteckte mich hinter Bäumen, die Äste und Blätter dienten mir als Tarnung. Ich musste mir keine Sorgen machen.
Deshalb sah ich ihn weiter an. Ich sah, wie er mit den Fingern an der zerfurchten Rinde eines alten Baums entlangfuhr. Er sah sich um, als ob er etwas suchte. Oder jemanden?
Aber nein, er konnte nicht wissen, dass ich hier war.
Ich hatte genug Macht, genug Magie, um mich vor ihm verstecken zu können.
Er ging zum nächsten Baum und diesmal griff er mit beiden Händen um den Stamm. Er fuhr ihn entlang nach unten und dabei spannte das Shirt, das er trug, an den Oberarmen.
Wie sehr ich mir wünschte, dass diese Hände an mir entlangfuhren, mich umgriffen …
Ich wusste nicht, was es mit ihm auf sich hatte. Er war der einzige Mann, das einzige Wesen, das mich erregte. Und nein, ich übertreibe nicht. Er war tatsächlich der Einzige, der mich körperlich erregen konnte.
Ich konnte nicht von ihm wegsehen – seine Muskeln, das Kinn, die wilden, dunklen Haare. Mein Körper reagierte auf ihn. Es kribbelte an Stellen, an denen es sonst nicht kribbelte, und ich musste in seiner Nähe sein.
Ich sehnte mich so sehr danach, dass ich seine Berührung spüren konnte. Ich spürte, wie er mir die Befriedigung gab, auf die ich so lange gewartet hatte.
Ich trat einen Schritt aus meinem Versteck. Vielleicht war es eine schlechte Idee, aber das kümmerte mich nicht. Es war genau, was ich wollte … nein.
Es war, was ich brauchte.
Ich ging einen weiteren Schritt.
Beinahe wollte ich genauso gerne, dass er mich fand, wie mich die Vorstellung erschreckte, er würde es tun. Denn ich wusste, was dann geschehen würde. Aber im Augenblick war mir das egal.
Ein weiterer Schritt.
Er drehte sich um.
Noch ein Schritt.
Dann schnappte ich nach Luft.
Ein Dolch schoss an meiner Schulter vorbei. Er musste aus dem Hinterhalt geworfen worden sein.
Er flog mit rasanter Geschwindigkeit an mir vorbei und eine Sekunde später traf er ihn. Er durchbohrte ihn. Mitten durchs Herz.
Sofort war sein Shirt blutgetränkt. Ich war wie versteinert, unter Schock. Ich öffnete den Mund, aber es kam nichts heraus.
Ich drehte mich um. Versuchte herauszufinden, wo der Dolch hergekommen war, wer dafür verantwortlich war. Aber ich konnte sonst niemanden sehen. Hier waren nur er und ich und der Wald.
Schnell sah ich wieder zu ihm. Er sank auf den Boden, er presste seine Hände auf die Wunde, versuchte das Blut zurückzuhalten. Diesmal musste er meinen Blick gespürt haben, denn seine Augen schossen zu mir hoch.
Er sah mir direkt in die Augen.
Es gab kein Entkommen. Kein Versteck. Er hatte mich gesehen.
Und ich wusste, ich wusste, er dachte, ich hätte den Dolch geworfen. Das bestürzte mich, überwältigte mich vor Reue, obwohl ich unschuldig war.
Aber tief in mir wusste ich, dass ich nicht unschuldig war. Nicht einmal annähernd.
Nun kroch er auf Händen und Knien und versuchte, die Augen offen zu halten. Versuchte, sie weiter auf mich zu richten. Und mein Herz raste immer noch. Schließlich war er der einzige Mann, der es zum Rasen bringen konnte.
Geh zu ihm, Eve.
Hilf ihm.
Berühre ihn.
Doch ich blieb einfach stehen, wie versteinert. Ich sah zu, als das Leben ihn verließ, als sich seine Augen schlossen, seine Finger aufhörten zu zittern. Ich musste es sehen. Ich zwang mich hinzusehen.
Als er seinen letzten Atemzug tat und stilllag, wurde ich auf einmal vollkommen ruhig. Ich atmete auf. Endlich war es vorüber.
***
Biep. Biep. Biep. Biep.
Ich schlug die Augen auf. Was war das?
Biep. Biep. Biep. Biep.
Ein verfluchtes Telefon klingelte. Mein verfluchtes Telefon. Ich sah mich um. Ich war im Bett, in einem weißen Bett. Alles war weiß.
Ja, richtig. Ich hatte in einem Hotel in New York übernachtet. Ich versuchte meinen Traum zu vergessen und suchte das Handy unter dem Kopfkissen neben mir.
Ich konnte mich jetzt nicht damit beschäftigen. Außerdem brauchte man kein Genie zu sein, um zu wissen, was mein Traum zu bedeuten hatte.
Diese Muskeln … diese Haare … es war nicht das erste Mal, dass ich von ihm geträumt hatte. Und es war sicher nicht das letzte Mal.
Ausgerechnet jetzt. Wo wir einander immer näher kamen …
Biep.
Eine Nachricht.
Ich sah auf mein Handy. Zwei verpasste Anrufe von Killian. Und eine–Biep–und zwei Nachrichten noch dazu.
Ich hatte seit ein paar Wochen nichts von ihm gehört, er musste also etwas Wichtiges gefunden haben. Er hatte für mich spioniert, recherchiert und ausgekundschaftet.
Ich las die Nachrichten.
29. Oktober 2017
London
Meine Armeestiefel machten bei jedem Schritt laute Geräusche, als ich über den Gehweg stapfte.
Es regnete nicht wirklich, aber es war nebelig. Das Wetter machte mich klamm, wie einen Schwamm auf der Spüle.
Ich hatte London eindeutig nicht vermisst.
Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Ich hatte einige wunderbare Jahre hier verbracht, als Killian noch ein Kind war.
Ich ging um die alte Kirche herum und befand mich nun auf einem leeren Parkplatz in irgendeiner vorstädtischen Siedlung.
Killian und ich gingen nie in die Kirche, aber manchmal hatten wir uns von hier den Sonnenuntergang angesehen. Aber das war schon lange her. Ich hörte ein Motorrad hinter mir und sah lächelnd auf die Uhr.
17.59 Uhr. Mehr als pünktlich.
Das Motorrad raste auf den Parkplatz und bremste so abrupt vor mir ab, dass es qualmte. Killian sprang vom Motorrad, bockte es auf und nahm den schwarzen Helm ab.
Daraufhin fielen seine goldenen Locken runter und er fuhr sich mit einer Hand, die noch im Handschuh steckte, durch die Haare. Seine goldenen Augen glänzten vor Schalk und als er mich ansah, konnte er ein schelmisches Grinsen nicht verbergen.
„Versuchst du etwa mich zu beeindrucken?“, fragte ich ihn und zeigte auf das Motorrad.
„Funktioniert aber ganz gut. Das musst du zugeben“, erwiderte er. Dann zog er aus einer Ledertasche eine Akte und gab sie mir.
Ich nahm sie an mich. „Wenn hier alles drinnen ist, …“
„Alles und mehr. Die ganze Blutlinie“, versicherte er mir.
Ich konnte meinen Stolz nicht unterdrücken. Jetzt, wo ich mir seine Grübchen an den Wangen besah, die nun mit einem Dreitagebart bedeckt waren, kam er mir wie ein erwachsener Mann vor.
Ein talentierter und äußerst brauchbarer Mann.
„Es stimmt also?“, fragte er und zeigte auf die Akte. „Die Morgans sind in Schwierigkeiten?“
„Von mir kriegst du keinen Klatsch, Kil.“
„Komm schon“, drängte er.
„Na gut, jeder kennt die Morgans. Sie sind die meist respektierten Menschen in Amerika. Und weil sie vor all diesen Jahren eine Vereinbarung mit dem Westküstenrudel getroffen haben, leben sie im Revier des Rudels, unangetastet.
Elena Morgan war wie eine Königin. Wegen ihrem Vermögen konnte das Westküstenrudel so lange so erfolgreich sein. Sie gehörte zu seinen größten Unterstützern. Aber sie hat ihr Vermögen ihren Töchtern hinterlassen. Ihr Gefährte hat keinen Anspruch darauf.“
„Na und?“
„Nun ja, rechtlich betrachtet sind ihre Töchter zu jung, um das Erbe anzutreten. Die älteste ist erst siebzehn.“
Killian betrachtete mich aufmerksam. „Du denkst, die Familie ist in Gefahr, weil sich jemand das Vermögen unter den Nagel reißen will?“
Er schüttelte den Kopf. „Jeder kennt die Morgans, Eve. Sie sind wie Aristokratie. Keiner würde der Aristokratie etwas antun wollen.“
„Wie bitte? Haben sie dir an der Akademie keine Geschichte beigebracht?“, fragte ich mit einem ironischen Grinsen. Er verdrehte die Augen. „Elenas Töchter können das Erbe erst antreten, wenn eine von ihnen achtzehn wird.“
„Also, was hast du vor, willst du die Töchter beschützen, bis sie achtzehn sind?“
Ich zuckte mit den Achseln. „Irgendeiner muss es ja tun. Denn, wenn jemand sie vorher umbringt, ist das Vermögen leichte Beute. Das reicht doch schon als Anreiz.“
Ich drehte mich um, um zu gehen, aber Kilian hielt mich an der Schulter zurück. „Du sagst mir nicht alles. Über die Leute, die ihnen schaden wollen.“
Ich schüttelte ihn ab. „Mach dir keine Sorgen, Kil –“
„Ich kann dir nur helfen, wenn ich weiß, was los ist“, sagte er und verschränkte die Arme.
„Na gut. Was willst du hören? Die Mafia? Die Mafia weiß vom Vermögen und bereitet den nächsten Schritt vor. Dann sind da die abtrünnigen Werwölfe, die immer auf Geld aus sind. Und lass uns die Vampire nicht vergessen.“
Ich sah, wie Killian weiß wurde. Er hatte schon immer ein Herz für die Schwachen gehabt. Ich klopfte ihm auf die Schulter.
„Es wird ihnen nichts passieren, Killian. Ich bin ziemlich gut, in dem was ich tue“, sagte ich und lächelte ihn an. Er nickte.
„Ich melde mich“, sagte ich und drehte mich um, um mich wieder auf die weite Rückreise nach Amerika zu machen. Zurück zum Westküstenrudel.
„Keine Verabschiedung“, rief er mir zu.
Ich lächelte. „Keine Verabschiedung“, rief ich zurück.
„Lass mich nicht zu lange warten“, rief er noch. „Ich langweile mich sonst.“
***
30. Oktober 2017
Lumen
Das Taxi fuhr auf der schlecht geteerten Straße durch den Wald und alles, was ich sehen konnte, waren Abermillionen von Bäumen auf beiden Seiten.
Als wir tief genug im Wald waren, und es keine ausgebaute Straße mehr gab, bat ich den Taxifahrer anzuhalten.
„Hier ist es gut.“ Ich stieg aus.
Er nahm das Geld und fuhr zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Offensichtlich wollte er nicht eine Sekunde länger hier draußen verbringen als notwendig.
Menschen wie er waren im Revier des Westküstenrudels nicht wirklich gerne gesehen, außer sie hatten eine Aufenthaltsgenehmigung. Oder wenn sie ein Morgan waren.
Und dieser Wald, der Deschutes Nationalpark in Oregon, war das Revier des Westküstenrudels.
Aber das galt nicht nur für unangekündigte Menschen. Es betraf alle Nicht-Werwolfartigen. Also auch mich.
Aber ich war hier aus gutem Grund. Und ich hatte nicht vor, so etwas wie eine mögliche Begegnung mit einer Werwolf-Patrouille oder einem Alpha dazwischenkommen zu lassen. Schließlich hatte ich es schon mit weit Schlimmerem aufgenommen.
Ich konzentrierte mich ganz auf meinen Körper. Es funktionierte und ich spürte, wie sich meine Zellen auffächerten, sich die Dichte meiner Haut verringerte.
Ich war nicht vollkommen unsichtbar, aber eben auch nicht wirklich sichtbar. Ich war wie eine gedimmte Version meines Selbst, man musste schon stark fokussieren, um mich wahrzunehmen.
Zufrieden wandte ich mich den Bäumen zu. Mit meiner Kraft hob ich mich hoch in die Luft.
Und dann schwang ich mich von Baum zu Baum und sprang von einem zum anderen.
Nach ungefähr fünfzig Kilometern wurde ich langsamer. Dann landete ich auf einem Baum und nutze seine Blätter als Tarnung, nur zur Sicherheit. Denn vor mir, nur einen guten Kilometer entfernt, lag Lumen.
Lumen, auch die Wolfsstadt genannt, beherbergte das Westküstenrudel, eines der stärksten Rudel Amerikas, wenn nicht der ganzen Welt.
Ich holte tief Luft, denn ich wusste, der letzte Kilometer würde der schwierigste werden. Jede Rudelstadt hatte Sicherheitsvorkehrungen und gutausgebildete Wachposten.
Und das Problem an Werwolfwachen war, dass ihre Nasen ihre besten Waffen waren. Sogar in Menschengestalt konnten sie einen Eindringling kilometerweit wittern.
Was bedeutete, dass sie mich jetzt jeden Moment wahrnehmen mussten, wenn sie es nicht schon längst getan hatten.
Aber das war egal.
Ich hatte etwas zu erledigen.
Ich sprang los und landete auf einem anderen Baum, dann sprang ich weiter zum nächsten. Ich schwang mich von Baum zu Baum, nun tiefer im Geäst, um mich im Laub zu tarnen.
Und da sah ich ihn. Nur ein paar hundert Meter vor mir.
Ein Werwolfwachposten.
Aber nicht irgendeine Werwolfwache. Ich konzentrierte mich und konnte das Abzeichen auf seiner Jacke erkennen, es kennzeichnete ihn als Mitglied des persönlichen Sicherheitsteams des Alphas.
Großartig.
Aber bevor ich irgendetwas tun konnte, richtete die Wache seine Augen auf mich. Er konnte mich auf jeden Fall wittern, meinen Blick auf sich spüren. Und ich hatte keine Lust zu warten, bis er Verstärkung rief.
Also holte ich noch einmal tief Luft und sprang nach vorne, in der Hoffnung, mein gedimmter Körper würde es ihm erschweren, mich zu entdecken.
Aber es machte nichts, dass ich kaum sichtbar war, denn die Wache nutzte seine Nase, um mich aufzuspüren.
Als ich durch die Bäume rannte, auf das Stadttor zu, hörte ich, wie sich die Wache hinter mir verwandelte. Jetzt war ich in Schwierigkeiten.
Vor einem Werwolf in Menschengestalt wegzulaufen war eine Sache. Aber vor einem Wolf?
Ich blieb in Bewegung, rannte weiter und riskierte einen Blick über die Schulter.
Die Wache war direkt hinter mir. Er knurrte und fletschte die Zähne. Keine zwei Schritte hinter mir.
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2
30. Oktober 2017
Lumen
Die Werwolfwache war direkt hinter mir. Ich weiß, dass ich schnell bin.
Meine besondere genetische Zusammensetzung und die Magie, die ich mir im Laufe der Jahrhunderte auf dieser Erde angeeignet hatte, machten mich zu einer der Schnellsten auf der Welt.
Aber ein Werwolf in Wolfsform war eine echte Herausforderung. Und dieser im Speziellen war fitter als der durchschnittliche Wolf.
Ich hatte sein Abzeichen gesehen. Er war Teil des persönlichen Sicherheitsteams des Alphas des Westküstenrudels.
Es ergab keinen Sinn. Warum kümmerte sich das Sicherheitsteam des Alphas um die Außengrenzen? Normalerweise hielten sich die besten Sicherheitsleute im Rudelhaus auf, nicht mitten im Wald.
Die einzige Erklärung war: Das Rudel hatte mit jemandem gerechnet. Entweder mit jemandem, der sehr wichtig oder sehr gefährlich war.
Und Gabriel, der Alpha des Westküstenrudels, hatte eine seiner Wachen beauftragt, denjenigen in Empfang zu nehmen.
Ich hörte ein Knurren. Er war direkt hinter mir.
Eine Klaue griff nach mir, berührte meine Schulter. Scharfe Krallen drangen durch meine Lederjacke.
Ich zwang mich, schneller zu laufen denn je zuvor, ein Fuß vor den anderen zu setzen, bis sich meine Beine so schnell bewegten, dass sie nur noch verschwommen wahrzunehmen waren.
Ich sah auf und stellte fest, dass wir mitten in Lumen angekommen waren. Wir mussten einfach durch das Stadttor geprescht sein.
Ich sah über meine Schulter. Die Wache lag nun weiter zurück, war offensichtlich erschöpft.
Das waren gute Neuigkeiten.
Und die schlechten Neuigkeiten? Er hatte nun vier weitere Wölfe an seiner Seite.
Ich schaute nicht lange genug, um zu sehen, ob auch sie Abzeichen des Alphasicherheitsteams trugen. Aber das war auch egal. Ich konnte nicht länger vor ihnen weglaufen, ich musste eine bessere Lösung finden.
Ich bog um eine Ecke und lief eine Gasse hinunter. Das Kopfsteinpflaster erschwerte es mir, die Geschwindigkeit aufrechtzuerhalten, aber plötzlich sah ich etwas.
Einen Kanaldeckel.
Ich dachte nicht lange nach, schob ihn auf und sprang hinein. Ich fiel mehrere Meter in die völlige Finsternis. Ich landete mit einem dumpfen Schlag auf meinen Füßen.
Ich konnte es sofort riechen.
Meine Stiefel versanken in dickem Schlamm und Abwasser und ich dankte meinem Schicksal, dass ich auf den Beinen gelandet war. Die Vorstellung, hier auf Händen und Knien zu landen, jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Ich habe kein Problem damit zu rennen und ich habe kein Problem damit zu kämpfen. Aber bei Abwasser und Kanalisation ziehe ich die Grenze.
Ich folgte dem Tunnel in Richtung Norden. Ich hatte nicht vor, abzuwarten, ob die Werwolfpatrouille herausfinden würde, wohin ich verschwunden war. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich an den Stadtplan zu erinnern.
Killian hatte eine Weile gebraucht, aber er hatte die Adresse, die ich suchte, ausfindig gemacht. Die Adresse des Hauses, in das die Morgans vor kurzem umgezogen waren. Es lag in einer Gegend, die Woodsmoke hieß.
***
Eine Stunde später kletterte ich in Woodsmoke aus einem Kanaldeckel an die Oberfläche. Die Sonne würde bald untergehen und die Straßen waren ruhig. Es war eine wohlhabende Gegend, voll von Designerläden und gutgekleideten Familien.
Großartig. Mit meiner Lederjacke und den Armeestiefeln falle ich also gar nicht auf.
Ich ging los und schloss wieder die Augen, um mich an die Lage der Gegend zu erinnern, in die Killian mich geschickt hatte.
Ich sah das Straßennetz vor mir und ich wusste, ich musste zur Jayden Street 49. Eine rote Linie erschien auf dem Netz und zeigte mir den schnellsten Weg.
Ich öffnete die Augen wieder und ging los. Den Rest der Strecke hielt ich die Augen offen. Nur weil ich den Werwolfwachen am Stadttor entkommen war, würden sie nicht aufhören, nach mir zu suchen.
Sie wussten, ich war kein Werwolf. Sie konnten mich wittern.
Am Geruch alleine konnten sie nicht feststellen, was ich war. Das konnte niemand.
Aber sie würden herausfinden, dass ich nicht eine von ihnen war und das bedeutete, ich war eine Bedrohung. Also musste ich die Augen offenhalten und mich so wenig wie möglich auf den Straßen sehen lassen.
Kurze Zeit später kam ich in der Jayden Street 49 an. Das Haus war groß, hatte weiße Säulen vor dem Eingang und einen frisch gemähten Rasen.
Ich wusste, dass Gabriel die Familie hier untergebracht hatte, dass sie zu einer Abmachung über ihr zukünftiges Wohnrecht gekommen waren.
Schließlich waren Menschen in Lumen sonst nicht erlaubt. Aber die Morgans waren keine normalen Menschen. Bevor das Westküstenrudel hier sein Revier errichtet hatte, gehörte das Land den Morgans.
Die Geschichte ihrer Blutlinie war von Reichtum und Macht durchzogen. Hätten die Morgens kein Abkommen mit dem Rudel getroffen, das ihnen erlaubte, sich hier anzusiedeln und das auch noch zu unterstützen, das Rudel wäre nie so wohlhabend geworden.
Das hatte das Westküstenrudel nicht vergessen. Auch nach dem Tod von Elena würden sie sich um die Morgans kümmern – in der Hoffnung, dass die Töchter, wenn sie das Erbe angetreten hatten, das Rudel weiter unterstützten.
Ich stieg die Stufen hinauf und klopfte an der neuen Eingangstüre der Morgans. Ich wartete einige Minuten … nichts.
Ich hatte heute zu viel durchgemacht, um geduldig zu sein. Ich klopfte noch einmal. Lauter.
Dann flog die Türe auf und eine etwa fünfzehnjährige Teenagerin stand vor mir und starrte mich an. Sie war wunderschön, so viel war klar. Mit ihren hellblonden Haaren und großen, blauen Augen sah sie aus wie eine lebensgroße Barbiepuppe.
„Äh, hallo?“, fragte sie und rümpfte die Nase.
Ich wollte gerade etwas zu ihrer Reaktion auf eine Frau in Lederklamotten sagen, als ich eine Brise spürte und meinen Geruch wahrnahm. Dann erinnerte ich mich, dass ich einige Zeit in der Kanalisation verbracht hatte.
Die gerümpfte Nase hatte nichts mit dem Leder zu tun.
„Ist dein Dad zuhause?“, fragte ich.
„DAD!“, rief sie hinter sich ins Haus. Einige Sekunde später erschien Martin Morgan im Eingang.
„Hallo? Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er und kniff die Augen zusammen.
„Nein, Martin. Aber ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Ihre Familie ist in Gefahr.“
Ich sah, dass er verwirrt war, aber er tätschelte seiner Tochter nur die Schulter. „Geh auf dein Zimmer, Anya“, sagte er zu ihr.
„Aber wovon redet sie da?“, fragte sie weiter und sah mich direkt an.
„Los“, sagte er, diesmal bestimmter. Sie verdrehte die Augen, gehorchte aber und ging.
Ich fing an zu reden. „Ich bin hier, um Ihre Familie zu beschützen. Damit ich das machen kann, brauche ich ein paar Dinge von Ihnen –“
„Einen Moment mal“, unterbrach er mich. „Wie war der Name noch gleich?“
„Eve“, sagte ich und hielt ihm meine Hand entgegen. Er starrte sie nur an.
„Sie sind Eve.“
„Stimmt.“
„Ich kenne keine Eve.“
„Wir sind uns noch nie begegnet, Martin.“
„Sie sind kein Werwolf“, sagte er und sah mir dabei in die Augen.
„Gabriel hat dem Rudel befohlen, uns in Ruhe zu lassen. Aber Sie, Sie wissen wer wir sind. Sie kennen meinen Namen. Und Sie lassen uns nicht in Ruhe. Kein Wolf widersetzt sich auf diese Art dem Alpha.“
„Sie haben recht. Ich bin kein Werwolf.“
„Dann sollten Sie nicht hier sein. Lumen ist eine Wolfsstadt.“
„Ich bin hier, um Ihre Familie zu beschützen“, wiederholte ich. Mir ging die Geduld aus. „Darf ich reinkommen?“
„Was? Nein –“ Aber es war zu spät. Bevor er sich versah, war ich an ihm vorbei und hatte die Tür geschlossen.
Er drehte sich zu mir um und schäumte vor Wut. „Ich werde es nicht erlauben, dass eine … eine fremde Frau sich Zugang zu meinem Haus verschafft und meine Familie in Schwierigkeiten bringt! Und woher kommt dieser … Gestank?“
„Martin“, sagte ich ruhig und ignorierte seine Frage. „Ich weiß von Ihrer Familie. Ich weiß, was Sie durchgemacht haben. Ich verstehe, warum Sie zögern, mir zu trauen. Aber Ihre Familie steckt bereits in Schwierigkeiten. Ihre Töchter werden gejagt.“
„Ich glaube Ihnen kein Wort. Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus –“
Das war genug. Ich hatte keine Zeit für so etwas.
Ich blendete ihn aus und öffnete meinen Geist, löste den Zugang zu einem telepathischen Kanal, damit ich seine Gedanken einlassen konnte.
Da er ein Mensch war, gestaltete sich die Sache eher einfach, es dauerte nur ein paar Sekunden und ich konnte seine Gedanken lesen.
Das ist ein Trick. Die Mafia hat sie geschickt. Sie will das Haus infiltrieren, und was, mich verführen? Sie sieht wie eine Verführerin aus. Schau dir das Leder an. Sei stark. Schmeiß sie raus, JETZT! Beschütze die Mädchen.
Ich sah zu ihm auf und sah an seiner Reaktion, dass mein Blick kein freundlicher gewesen sein konnte. Der arme Mann hatte panische Angst.
„Also wirklich, Martin, Sie halten mich für eine Art Prostituierte?“
„Wie bitte?“
„Halten Sie wirklich so wenig von mir? Meinen Sie, ich lasse mich von der Mafia kontrollieren?“
„Woher wissen Sie, dass ich das gedacht habe?“
„Die Mafia ist das geringste unserer Probleme. Wissen Sie von abtrünnigen Wölfen? Vampiren?“, fragte ich.
„Wenn Sie wollen, dass Ihre Töchter ihr achtzehntes Lebensjahr erreichen und ihr Erbe antreten, dann nehmen Sie meine Hilfe an. Ich werde hier mit Ihnen wohnen und ich werde Sie beschützen.“
Martin sank auf ein Sofa, er versuchte, all dem zu folgen, hatte aber Schwierigkeiten. „Woher wissen Sie, dass sie …?“, fragte er.
„Gejagt werden? Ich habe meine Quellen.“
„Warum? Warum beschützen Sie eine Familie, die sie überhaupt nicht kennen?“
Die Wahrheit ging mir durch den Kopf, aber ich wusste, ich hatte ihm schon zu viel zugemutet. In seinem Zustand würde er die Wahrheit nicht verkraften.
„Ich bin kein Werwolf, Martin, aber ich habe viel Macht. Und ich möchte diese Macht für einen guten Zweck nutzen. Was Ihrer Familie widerfährt, ist nicht richtig.“
„Und wenn ich Nein sage? Ihre Hilfe ablehne?“
Ich setzte mich neben ihn. Dann sah ich ihm direkt in die Augen und sah in das Herz eines Mannes, der gerade seine Frau verloren hatte, und alles dafür tun würde, seine Töchter zu beschützen.
„Ich würde es trotzdem tun“, sagte ich achselzuckend.
Nach einem kurzen Augenblick gab er nach und nickte. „Na gut“, sagte er. „In Ordnung.“
„Ich brauche ein Zimmer. Und ich muss Ihren und den Terminplan Ihrer Töchter kennen und Ihre Freunde. Haben Sie jemand neues kennengelernt, seitdem Sie hier wohnen?“
Martin schüttelte den Kopf. „Wir sind erst gestern hier angekommen. Die Mädchen sind noch dabei auszupacken.“
„Gut. Die Schule beginnt nächste Woche, liege ich richtig?“
Martin nickte. „Die Schule liegt hier gleich um die Ecke.“
„Hatten Sie schon Ihren Meldetermin im Rudelhaus?“
„Gleich morgen früh.“
„Ich werde Sie begleiten.“
„Dad?“ Wir drehten uns beide um. Am anderen Ende des Wohnzimmers stand Martins älteste Tochter, Reyna.
Ihr dunkelbraunes Haar fiel ihr über die Schultern und ihre blasse Haut schimmerte in dem nur schlecht beleuchteten Zimmer. Sie sah majestätisch aus.
Was nur passte, wenn man bedachte, dass sie geboren worden war, um als Königin das Vermögen der Morgans anzutreten.
Ich stand auf. „Hi, Reyna. Ich bin Eve“, stellte ich mich ihr vor. „Ich werde bei euch wohnen.“
Sie sah mich an und dann zu ihrem Vater. „Dad?“, fragte sie erneut.
„Wir sind in Gefahr, Liebling“, sagte er. „Eve ist hier, um uns zu beschützen.“
„Was für eine Gefahr?“
„Wir werden gejagt“, sagte plötzlich eine Stimme hinter dem Lehnsessel. Und Anyas Kopf schaute dahinter hervor.
„Du solltest auf dein Zimmer gehen!“, schimpfte Martin.
„Du solltest uns die Wahrheit sagen“, erwiderte sie.
„Morgans!“ Ich brachte sie zur Ruhe. „Ihr wollt die Wahrheit? Ja, ihr werdet gejagt. Was eure Mutter euch hinterlassen hat, ist sehr wertvoll, und gefährliche Leute sind darauf aus. Aber mit mir hier an eurer Seite seid ihr in Sicherheit.“
Reyna schnaubte. „Sie wiegen ja keine fünfzig Kilo.“
Ich seufzte. Dann fokussierte ich eine Lampe auf dem Tisch hinter ihr.
Die Lampe erhob sich langsam und schwebte einen Moment. Dann bewegte ich sie auf mich zu und ließ sie um Reyna kreisen, bis sie vor ihren Armen in der Luft stehen blieb.
Anya kreischte auf. Martin schnappte nach Luft. Aber Reynas Augen wurden nur groß.
Sie öffnete die Arme und griff nach der Lampe, gerade als ich sie in Staub verwandelte. Alle sahen dabei zu, wie der Staub auf den Teppich rieselte.
„So …“, sagte ich und sah in ihre verwunderten Gesichter. „Haben Sie verstanden?“
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