Die Torianischen Krieger - Buchumschlag

Die Torianischen Krieger

Natalie Le Roux

Kapitel Zwei

Am nächsten Morgen wachte Lilly als Erste auf. Sie sah nach ihren Schwestern und verbrachte noch ein paar Minuten mit Violet, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging und sie sich ausruhte. Rose wachte auf und drehte sich zu ihr um.

"Lilly?", flüsterte sie.

"Pst." Lilly legte ihr einen Finger an die Lippen und brachte sie zum Schweigen. "Ich gehe los, um mehr Medizin für Violet zu holen. Du bleibst hier. Ich bin in ein paar Stunden zurück. Wenn ich zurückkomme, packen wir zusammen und gehen."

Sorge und Wut füllten Roses Augen. "Tu das nicht, Lilly. Wir haben Medikamente für Violet. Diese Dinger krabbeln überall in der Stadt herum. Es ist zu gefährlich."

Lilly schenkte ihr ein trauriges Lächeln, Tränen füllten ihre Augen. "Ich muss es tun, Rose. Vi geht es nicht besser. Ich muss stärkere Antibiotika finden. In der Stadt gibt es eine Klinik. Ich gehe dorthin und komme gleich wieder zurück."

"Und wenn du es nicht tust, Lil?"

Lilly senkte ihren Blick auf den Boden. "Dann übernimmst du die Verantwortung. Du bist die Zweitälteste."

Ihr kleiner Scherz ging daneben, als Rose sie anfunkelte.

"Es wird nicht lange dauern. Seht zu, dass ihr alle etwas zu essen bekommt."

"Was ist mit dir?"

"Ich habe schon gegessen", log sie. "Ich hatte noch etwas Reis von gestern Abend übrig." Sie erhob sich, schenkte ihrer Schwester ein letztes Lächeln und warf sich ihren Rucksack über die Schultern.

Ohne sich umzusehen und mit Tränen im Gesicht verließ sie das Bauernhaus, das sie ihr Zuhause nannten, und machte sich auf den Weg zur Straße.

Ihr Weg in die Stadt verlief ereignislos. Die Kreaturen waren im stillen Sonnenschein des Morgens nirgends zu sehen.

Entschlossen, Violets Leben zu retten, folgte Lilly den Schildern zur örtlichen Klinik und hielt ihre Augen offen für die kleinste Bewegung und jedes Geräusch um sie herum.

Die Klinik, wenn man sie so nennen konnte, war ein kleines, einstöckiges, rotes Backsteingebäude. Das Einzige, was sie auszeichnete, war das Schild an der Tür.

Lilly betrat den Empfangsbereich und hielt inne, um das getrocknete Blut an den Wänden, dem Boden und den Stühlen zu betrachten.

Beim Anblick der Eingeweide, die noch immer in der Ecke lagen, einer unvollendeten Mahlzeit für die Kreaturen und den Überresten dessen, was einmal ein lebender Mensch gewesen war, stieg ihr die Galle hoch.

In den letzten Wochen war ihr aufgefallen, dass die Kreaturen zwar so gut wie alles Lebendige fraßen, aber von der Leber schienen sie sich fernzuhalten.

Es war ein häufiger Anblick, das Organ in den Straßen, Häusern und Gebäuden liegen zu sehen, durch die sie zogen.

Lilly verdrängte den Gedanken daran, wie es sein musste, bei lebendigem Leibe aufgefressen zu werden, und folgte dem kleinen Schild an der Wand neben der Rezeption, das auf den Flur wies.

Ihr Herz raste angesichts des schummrigen Ganges, der zur Apotheke führte, aber schiere Entschlossenheit ließ sie einen schweigenden Fuß vor den anderen setzen.

Als sie die Tür erreichte, die als Apotheke gekennzeichnet war, brannten ihr die Tränen in den Augen, und ihr Herz fühlte sich an, als würde es beim Anblick des kahlen Raums in winzige Stücke zerbrechen.

Nicht eine einzige Schachtel oder ein Fläschchen mit Medikamenten stand in den Regalen.

Noch mehr Verzweiflung erfüllte ihren Körper, als ihre Lungen sich zu einem Wimmern verengten und ihr Körper vor Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Unterernährung zusammensackte.

Sie wandte sich von dem leeren Raum ab und wischte sich über das Gesicht, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.

Sie musste sich zusammenreißen, aber der Schmerz darüber, dass sie ihre kleine Schwester im Stich gelassen hatte, saß so tief, dass ein Schluchzen über ihre Lippen kam, das in der leeren Klinik widerhallte.

Lilly schlug sich eine Hand vor den Mund und lauschte auf die Geräusche um sie herum, während ihr Herz raste.

”Dummer Fehler!", schimpfte sie im Geiste und ließ sich vom Adrenalin zu den Türen treiben, durch die sie gerade hereingekommen war.

Wieder auf der Straße angekommen, kniff sie die Augen gegen die blendende Sommersonne zusammen. Sie ging an der Wand der Klinik entlang, während ihr der Gedanke durch den Kopf schoss, dass es keine Hoffnung mehr für Violet gab.

Sie würde bald sterben, wenn sie nicht einen Weg finden würde, ihr zu helfen.

Lilly hielt inne, um Luft zu holen und ihren aufsteigenden Kummer zu besänftigen, drückte sich mit dem Rücken an die Wand der Klinik und senkte den Blick auf den Boden.

Ein weiterer leiser Schluchzer entkam ihren Lippen. "Oh, Vi, es tut mir so leid", flüsterte sie in die leere Straße.

Mit einem letzten tiefen Atemzug stieß sich Lilly von der Wand ab und hob ihren Blick.

Ihr Körper wurde kalt und ihr Verstand platzte vor Panik beim Anblick eines riesigen Mannes, der nur drei Meter von ihr entfernt stand.

Sein riesiger, kräftiger Körper strahlte Gefahr aus, und die beiden langen, tödlichen Klingen in seinen Händen ließen ihren Mund trocken und ihre Knie wackelig werden.

Irgendetwas war ganz anders an ihm. Nicht nur sein massiger Körper, der sie um mindestens einen Meter überragte, sondern auch seine Augen hatten eine tiefe, leuchtend grüne Farbe.

Seine Ohren waren spitz zulaufend und zuckten, als er sie anstarrte. Sein Mund war zu einem Knurren aufgerissen, das die scharfen, langen Reißzähne in seinem Maul zur Schau stellte.

Auf seiner etwas flacheren Nase befanden sich leichte Rillen, die sich beim Einatmen aufblähten.

Lilly drückte sich wieder gegen die Wand, ihr Körper war erfüllt von eiskaltem Schrecken beim Anblick des offensichtlich nicht menschlichen Mannes vor ihr.

Während sie sich gefühlte Minuten anstarrten, kam Lilly der flüchtige Gedanke, dass heute der Tag sein würde, an dem sie starb.

Dasselbe verdrehte Schicksal, das sie an diesen Punkt geführt hatte, schien zu denken, dass es lustig wäre, eine weitere außerirdische Rasse auf die Erde zu schicken.

Sie sah darin überhaupt keinen Humor. Schon gar nicht, als sie in die wütenden grünen Augen des Mannes vor ihr starrte.

In einem Wimpernschlag hob der Mann die Schwerter an seinen Seiten und stürmte auf sie zu, so schnell, dass Lilly nur die Augen zusammenkneifen und eine flehende Hand vor ihr Gesicht halten konnte.

Ein Geräusch direkt neben ihrem Ohr, das sich anhörte, als würde Metall auf Ziegelstein schlagen, erfüllte ihre Ohren, und Lilly riss die Augen auf und sah den riesigen Mann direkt vor sich stehen.

Seine kräftigen, muskulösen Arme umschlossen sie, und sein ebenso muskulöser Körper war nur Zentimeter von ihrem entfernt. Ihre Augen trafen sich wieder, und sein brennender grüner Blick blickte ihr direkt in die Seele.

Sie atmete zittrig ein und spürte, wie die kaum unterdrückte Gewalt in heißen, warmen Wellen von ihm ausstrahlte.

Ihre Gedanken kehrten zur gegenwärtigen Situation zurück, und Lilly versuchte, den Schmerz in ihrem Körper an der Stelle zu finden, wo seine Klingen ihre Haut durchbohrt hatten.

So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihre Augen nicht von dem grünen Blick losreißen, aber ihr Körper spürte keinen Schmerz. Keiner, der nicht schon vorher da war, korrigierte sie in Gedanken, als ihr klar wurde, dass er sie nicht verletzt hatte.

Ihre Augen rissen sich schließlich von seinem glühenden Blick los und sahen zur Seite.

Ihr rutschte das Herz in die Hose und ihre Augen weiteten sich, als sie den Kopf einer der Kreaturen nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt sah.

Die lange silberne Klinge fuhr direkt durch den Kopf und die kalten, toten Augen starrten ins Leere. Sie schoss mit dem Kopf auf die andere Seite und fand den gleichen Anblick zu ihrer Linken.

Sie schluckte, als ihr bewusst wurde, wie nahe sie dem Tod gekommen war, und wandte ihre Augen wieder auf den Mann.

Er neigte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn, als er sie musterte. Sein Kopf war nach unten geneigt, um ihre kleine, 1,70 m große Gestalt zu betrachten.

"Du hast mir das Leben gerettet... Danke", hauchte Lilly aus, nicht sicher, ob er sie verstand oder nicht, aber sie hatte das Bedürfnis, ihm dafür zu danken, dass er die Kreaturen getötet hatte, die sie für unzerstörbar gehalten hatte.

Es ging ihr nicht aus dem Kopf, wie viel Kraft es gekostet haben musste, eine Klinge so tief in den härtesten Teil der Kreaturen zu treiben.

Der Mann sagte kein Wort, als er sich zurückzog und die Kreaturen um sie herum mit einem lauten Knall zu Boden fielen.

Ihre Augen suchten sofort die Umgebung ab, denn sie wusste, dass ein so lautes Geräusch weitere anlocken konnte.

"Warum bist du allein hier draußen?", fragte seine tiefe Stimme, die von den Mauern der verlassenen Stadt widerhallte.

"Still!", forderte sie leise flüsternd und wedelte mit der Hand vor ihm, während ihr Blick über die Gebäude um sie herum schweifte.

Als sie ihn wieder ansah, hatte er eine Augenbraue hochgezogen und grinste.

"Diese Dinger werden von Geräuschen angezogen", erklärte sie, wobei sie ihre Stimme so leise wie möglich hielt. "Sie werden dich hören."

Er zuckte mit den Schultern. "Wenn sie kommen, werde ich sie töten."

Lilly blieb der Mund offen stehen. "Einfach so? Du wirst Hunderte dieser ... Dinger töten müssen, wenn sie die Stadt überschwemmen, weil du deine große Klappe nicht halten kannst."

"Spinner", sagte er und senkte dankenswerterweise seine Stimme. "Man nennt sie Spinner."

"Spinner?"

Er nickte.

"Und wer zum Teufel bist du?", fragte sie und schlenderte in Richtung der Gasse neben der Klinik. Er folgte ihr mit einem strengen Blick, wobei er ihre erstaunlichen grünen Augen nicht ein einziges Mal aus den Augen ließ.

"Ich bin Bor."

Lilly wartete, aber das war die einzige Erklärung, die sie bekam.

"Ein Bor? Was zum Teufel ist ein Bor?"

"Nein, Weibchen. Mein Name ist Boah. Ich bin ein Torianer."

"Toll. Noch mehr Aliens. Genau das, was dieser Planet braucht." Mit diesen Worten flitzte sie um die Ecke der Klinik und kam erst zum Stehen, als sie fast mit noch mehr der riesigen Männer zusammenstieß.

Angst durchströmte ihren Körper beim Anblick dieser massiven Männer, die ihr die Flucht versperrten.

"Weibchen", rief die tiefe, kräftige Stimme hinter ihr und ließ sie zusammenzucken. Sie drehte sich zu ihm um, Wut ersetzte ihre Angst und brachte ihn mit einem Finger an den Lippen wieder zum Schweigen.

Als hinter ihr ein Kichern ertönte, drehte sie sich um und sah, wie einer der anderen Männer sich vorwärts bewegte, ohne sich darum zu kümmern, dass seine schweren Schritte noch mehr der sogenannten Spinner zu ihnen locken könnten.

"Was wollt ihr?", fragte Lily und versuchte, alle Männer im Blick zu behalten. Der große Mann aus der Klinik bewegte sich auf sie zu.

Als er nur einen Meter von ihr entfernt stehen blieb, musste Lilly schlucken, als ihr ein Schauer den Rücken hinauflief.

"Hab keine Angst, kleines Weibchen. Wir sind hier, um deine Rasse zu retten."

"Meine ... was?"

Er sah sie stirnrunzelnd an, bevor er sich den anderen zuwandte. Er sprach in einer Sprache, die ihr für einen Moment den Verstand raubte, bevor der andere antwortete, und beide drehten sich um und starrten sie an.

"Du verstehst diese Sprache nicht? Mir wurde gesagt, dass dies die Sprache der Menschen ist, die in dieser Gegend des Planeten leben."

Lilly blinzelte ihn nur ein paar Sekunden lang an und versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen.

"Ich ... ich verstehe euch sehr gut. Ich verstehe nur nicht, was du meinst. Ihr seid hier, um meine Rasse zu retten?"

"Ja. Wir sind hier, um die Spinner zu töten und so viele Menschen wie möglich zu retten. Du wirst mit uns auf mein Schiff kommen, wo du in Sicherheit bist, bis der Kampf vorbei ist."

Lillys Mund blieb erneut offen stehen und ihre Augen weiteten sich. In ihren Gedanken tauchten Rose, Tulip und Violet auf.

"Nein. Ich kann nicht. Ich muss gehen."

Sie versuchte, sich den intensiven Blicken der Männer in der Gasse zu entziehen, aber sobald sie sich bewegte, streckte Bor eine Hand aus und packte ihren Arm.

"Du wirst mit mir kommen, Weibchen. Ich werde dich nicht noch einmal bitten."

Die Forderung in seiner Stimme ließ Lilly vor Wut schäumen. Für wen zum Teufel hielt sich dieser Riesentrottel?

"Und ich habe nein gesagt. Jetzt lass mich gehen und lass mich in Ruhe!"

Eine weitere Augenbraue hob sich bei ihrer Forderung, und sie hätte schwören können, dass sie seine Lippen zucken sah, als ob er ein Lächeln verbarg.

Sie versuchte, ihren Arm aus seinem festen Griff zu ziehen, aber er zog sie nur noch näher an seinen breiten Körper und füllte ihre Nase mit seinem unglaublichen Duft.

"Ich werde dich in Sicherheit bringen, Weibchen. Ich werde dich auf mein Schiff bringen, und du wirst dort bleiben, bis die Spinner tot sind. Ich erhebe Anspruch auf dich, Kleines."

Oh, verdammt, nein!, dachte Lilly, als sie ihre Augen auf ihn richtete. Sie wollte nicht irgendeine ... Beute oder Sklavin oder was auch immer sein.

Sie musste zurück zu ihren Schwestern, und nichts und niemand würde sie aufhalten können.

Bor drehte sich um, um etwas zu den anderen in seiner Gruppe zu sagen, und Lilly nutzte die Gelegenheit, um sich zu wehren.

Sie rammte ihm mit solcher Wucht ein Knie zwischen die Beine, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam angesichts der Schmerzen, die er zweifellos empfinden würde. Aber sie war fest entschlossen, zu Rose und den anderen zurückzukehren. Sie musste es tun.

Sie konnte sie nicht zurücklassen, und bei all dem Lärm, den diese Männer machten, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Spinner sie auch fanden.

Wie vorhergesagt, lockerte sich sein Griff in dem Moment, in dem ihr Knie seine Eier berührte, und der ohrenbetäubende Schmerzensschrei, der die Luft erfüllte, ließ sie zusammenzucken.

Sie riss ihren Arm aus seiner Umklammerung und rannte so schnell sie konnte aus der Gasse, während der brüllende Außerirdische die Spinner anlockte.

Das würde ihr die Chance geben, zu den anderen zurückzukehren und aus diesem Kuhdorf zu verschwinden.

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