Das Kreuz zu tragen - Buchumschlag

Das Kreuz zu tragen

Silver Taurus

Der Fluch

AMARI

Ich biss die Zähne zusammen.

„Sollen wir etwas anderes nehmen? Sie schreit ja gar nicht”, sagte eine Stimme, während ich versuchte, sie zu ignorieren und mich auf die verdammte Peitsche auf meinem Rücken zu konzentrieren.

„Genug! Nimm die andere Peitsche, die mit den Stacheln”, sagte eine andere Stimme gelangweilt.

Ich schluckte schwer und versuchte, mich auf das vorzubereiten, was kommen würde. Die Übelkeit, die sich in mir ausbreitete, machte es mir schwer, überhaupt zu atmen.

Ich schaute schweigend auf die Wand vor mir. Ich konnte nicht vor ihnen weinen, nicht schon wieder.

„Mal sehen, ob du dieses Mal schreist”, sagte die Stimme hinter mir.

Ich hielt meinen Kopf gesenkt. Meine schokoladenbraunen Haare hingen mir im Gesicht. Das Blut, das vorhin von meiner Stirn getropf war, war bereits auf meinem Gesicht getrocknet. Meine Haare klebten daran.

Als ich hörte, wie die Metallspitzen auf dem Betonboden kratzten, biss ich mir auf die trockene Lippe.

Reiß dich zusammen, murmelte ich innerlich! Ich hatte nicht vor, ihnen zu zeigen, wie schwach ich war. Ich hatte nie Schwäche gezeigt und würde es auch nie tun.

Ich spürte, wie sie wieder zuschlugen.

Meine Lippen schmerzten, weil ich auf ihnen herumbiss. Bei dem metallischen Geschmack drehte sich mir der Magen um. Wie lange hatten sie vor, mich so festzuhalten?

Ich spürte, wie sich ein brennendes Gefühl auf meinem Rücken ausbreitete. Meine Sicht verschwamm. Ich fluchte leise vor mich hin. Versuch einfach, wach zu bleiben. Der Blutverlust machte es mir schwer, meine Augen offen zu halten.

„Genug”, sagte die männliche Stimme und ich seufzte erleichtert auf. „Schließ sie in ihrem Zimmer ein. Kein Essen, nur Wasser.”

Ich fiel auf die Knie, als sie die Ketten aufmachten. Der Boden war nass von meinem Blut. Meine Hände zitterten.

Meine Augen fingen an zu brennen und die Tränen kullerten herunter. Das durfte nicht passieren, nicht hier.

Ich schrie auf, als ich spürte, wie an meinen Haaren gezogen wurde. Ich versuchte, nach der Person zu greifen, die an mir zerrte, aber ich konnte nicht. Warum war ich nur so schwach?

Schlüssel klimperten, eine Tür öffnete sich und der Mann stieß mich hindurch. Als mein Gesicht auf dem kalten Betonboden aufschlug, stöhnte ich auf. Ich versuchte, meinen schmerzenden Körper hochzuraffen, aber ein plötzlicher Schmerz in meinen Rippen ließ mich nach Luft schnappen.

„Du Biest”, knurrte der Mann, als er mich erneut trat. Ich hustete, schnappte nach Luft und kroch davon. Schwer atmend ließ ich meinen Körper auf den Boden fallen.

Der Mann lachte höhnisch und schlug die Tür zu. Endlich ließ ich meinen Tränen in der Stille freien Lauf. Schluchzer des Schmerzes, der Traurigkeit und des Wahnsinns ließen mich nach dem Grund für all das fragen.

Hast du dich jemals gewundert, warum das Leben manchmal ungerecht ist? Warum manche Dinge passieren? Womit hatte ein Mädchen wie ich, nur aufgrund ihrer Geburt, diese Art von Schmerz verdient?

Geboren zu werden war die einzige Sünde, die ich begangen hatte. Vom Moment meiner Geburt an verflucht zu sein, das war mein Kreuz, das ich bis zu meinem Todestag tragen musste. Ich hatte eine Familie, oder zumindest nannten sie sich meine Familie, doch das war bloßer Schein.

Ich hatte einfach Pech gehabt. Ein Mädchen, das verflucht wurde, weil mein sogenannter Vater einen Fehler begangen hatte. Trug ich die Schuld daran? Nein. Aber es lag an mir mit seinen Fehlern zu leben.

Nachdem ich mich beruhigt hatte, stand ich langsam auf. Mein zerrissenes Kleid hing mehr schlecht als recht an meinem mageren Körper. Ich zog es aus und ging in mein Badezimmer.

Bei jedem Schritt zuckte ich zusammen. Ich griff nach dem Schalter, machte das Licht an und schloss meine Augen. Das stechend gelbe Licht ließ meine Augen schmerzen.

Ich schleppte meinen zerschundenen Körper vor den zerbrochenen Spiegel. Keuchend wandte ich meine Augen ab. Ich sah furchtbar aus.

„Das ist doch halb so wild”, murmelte ich, als ich meinen Blick hob und mich mein Spiegelbild anstarrte.

Prellungen, Blut und Narben bedeckten meinen Körper. Die meisten von ihnen auf meiner Brust, meinen Beinen und meinem Rücken. Ein paar Blutergüsse waren auf meinen Armen zu sehen und eine einzelne Narbe befand sich unter meinem Gesicht am Hals.

Ja, mein Hals. Eine Narbe, die meine Schwester verursacht hatte, weil sie versucht hatte, mich umzubringen.

Ich griff nach dem Wasserhahn und goss mir etwas Wasser auf meine zittrigen Hände. Ich atmete tief ein und ließ es über meinen Rücken laufen. Ein kleiner Aufschrei kam über meine Lippen, als ich das kalte Wasser auf meiner Haut spürte.

Ich mich betrachtete im Spiegel und nickte mir zu. Ich brauchte ein Bad, damit ich meine Wunden waschen konnte. Danach würde ich mich verarzten.

Mit kleinen Schritten erreichte ich die Dusche. Ich drehte den Wasserhahn auf. Kaltes Wasser fiel auf meine Haut und ließ mich noch mehr weinen. Die Schmerzen waren unerträglich, aber ich musste durchhalten. Es war ja nicht das erste Mal.

Ich hielt mir den Mund zu und schluchzte im Stillen.

„Warum ich?”, fragte ich zwischen zwei Schluchzern.

Ich zuckte zusammen und atmete scharf ein. Mir fehlte nur noch der riesige blaue Fleck auf meinem Rücken. Ich konzentrierte mich auf meine Wunden, dann hörte ich plötzlich ein Klopfen an der Schlafzimmertür.

Ich verkrampfte mich, weil ich dachte, dass es vielleicht jemand aus meiner Familie war. Würden sie zurückkommen, um mich zu bestrafen?

„Herein”, stotterte ich nervös. Ich griff nach der Bettdecke und wappnete mich. Wer mochte es wohl sein?

Jemand öffnete die Tür. Es war jemand mit schwarzen Haaren.

„Mayah?”, flüsterte ich unsicher.

„Hey”, sagte das Mädchen in Dienstmädchenkleidung, öffnete die Tür und trat leise ein.

„Warum bist du hier?”, fragte ich sie, denn ich hatte Angst, dass sie wie beim letzten Mal bestraft werden würde. „Geh fort!”

„Nein, Mylady, das werde ich nicht”, sagte Mayah mit einem warmen Lächeln, das mir einen Stich versetzte.

„Aber du könntest bestraft werden, bitte”, flehte ich sie an.

Mayah war ein Dienstmädchen, das im Palast arbeitete, der mein Zuhause war. Ich war eine Prinzessin, die von allen gehasst wurde. Die Stadtbewohner kannten die Wahrheit nicht. Sie sahen nicht, wie die jüngste Prinzessin gefoltert wurde.

Und Maya war die einzige Dienerin, die mir half. Sie war älter als ich und kümmerte sich um mich. Sie war die Einzige, die mir gegenüber Zuneigung zeigte.

„Komm her, lass mich”, sagte Mayah und griff nach der kleinen Notfallbox, in der ich einige Medikamente aufbewahrte.

Ihr Keuchen machte mir klar, dass diese Blutergüsse noch schlimmer waren als die letzten. Stöhnend ließ ich sie meine Wunden verarzten. Ein paar Minuten später war Mayah fertig.

„Alles behandelt”, sagte sie, als sie die Kiste schloss. „Ruh dich aus. Ich bringe dir etwas zu essen.”

Ich dankte ihr und schenkte ihr ein warmes Lächeln. Mayah ging hinaus.

Ich sah mich in meinem Zimmer um. Graue Wände und Vorhänge hingen von der Decke und schmückten mein graues Schlafzimmer. Auch wenn ich eine Prinzessin war, hatte ich kaum Möbel.

Das Einzige, was ich besaß, war ein weißer Holzschrank, ein Frisiertisch, mein Himmelbett und ein Nachttisch. Mein Zimmer war kühl, dunkel und einsam.

Mein böser Vater, König Azar, Herrscher des Pallatinischen Reiches, hatte einen großen Fehler begangen. Er hatte eine Hexe verraten.

Hexen, Hexenmeister, Jägern und andere Kreaturen lebten im Pallatinischen Reich. Und wir waren das einzige Reich, das jemals Verrat an einer Hexe begangen hatte.

Was mein Vater, König Azar, nicht wusste, war, dass die Hexe, die er verraten hatte, Rache nehmen würde. Doch das hatte sie getan. Sie hatte zwei seiner Söhne und eine Königin getötet, und sie hatte mich, die noch ein Baby gewesen war, verflucht.

Nur er, eine ältere Tochter und ein verfluchtes Baby waren noch übrig.

Ich hatte mich immer über den Grund gewundert. Ich war noch ein Baby gewesen. Deshalb hatte sich meine Mutter umgebracht.

Jedes Mal, wenn mein Vater, der König, wütend wurde, ließ er es an mir aus. Nicht nur er, sondern alle.

Hier im Palast wurde ich die Verfluchte genannt. Niemand näherte sich mir und niemand sprach mit mir. Ich hatte keine Freunde, niemanden. Einsame Nächte und blutige Tränen waren das Einzige, was ich hatte; sie waren meine einzigen Begleiter.

Trotzdem lächelte ich. Denn die ganze Zeit über hatte ich ihnen gegenüber nie Schwäche oder Tränen gezeigt. Bei jeder Bestrafung, jeder Folter, jedem giftigen Wort, hatte ich keinerlei Schwäche erkennen lassen.

Denn ich war fest entschlossen, diesen Ort auf jeden Fall zu verlassen. Ich hatte nur noch zwei Jahre zu leben, und egal, was auch passierte, ich würde wenigstens frei sein. Dessen war ich mir sicher.

Am nächsten Tag wachte ich mit der üblichen Routine auf. Ich öffnete die Fenster, nahm ein Bad, zog meine zerlumpten Sachen an und las Bücher.

Mein Vater erlaubte mir nicht, dieses Zimmer zu verlassen. Es war mein Käfig. Ich war vom Rest der Welt abgeschottet. Ich durfte nur hinaus, wenn die gesamte königliche Familie anwesend sein musste.

Ich schaute aus dem Fenster und blickte zum blauen Himmel auf. Die Sonne schien strahlend durch das Fenster. Die Vögel zwitscherten, während der Wind langsam wehte - ein perfekter Frühling.

Dann lächelte ich traurig und schaute an den Mauern der Burg vorbei. Ich hatte mich immer gefragt, was sich dahinter verbarg. War es dort schön? Gab es prächtige und schön anzusehende Felder voller Rosen? Das Essen, die Leute, wie waren sie?

Als ich wieder auf das Buch in meinen Händen blickte, lächelte ich. Alles, wovon ich je träumte, war bloße Fantasie. Die einzigen Orte, an die ich gehen konnte, existierten in den Geschichten, die ich las. Seufzend schaute ich wieder nach draußen.

Mein Schlafzimmer lag im Ostflügel des Schlosses. Es war ein Ort, den nur wenige aufsuchten.

Ich lehnte meinen Kopf an den Fensterrahmen und seufzte. Meine Wunden schmerzten immer noch. Weniger als gestern, aber jede kleine Bewegung ließ mich erschaudern.

Während ich über mein erbärmliches Leben nachdachte, ließ mich ein leises Klopfen an der Tür aufhorchen.

„Wer ist da?”, rief ich.

Mit einem plötzlichen Ruck öffnete sich die Schlafzimmertür und das oberste Dienstmädchen trat ein. Ich schloss mein Buch und setzte mich erschrocken auf.

Sie musterte mich von Kopf bis Fuß und lachte höhnisch. Ich senkte meinen Kopf und hielt das Buch fest mit meinen Händen umklammert.

„Deine Anwesenheit ist erforderlich”, rief das oberste Dienstmädchen laut. Ich schaute überrascht auf. Mehrere weitere Dienstmädchen kamen mit Kleidung und Schuhen herein.

„SOFORT!”, schrie das oberste Dienstmädchen und ließ mich zusammenzucken. Ich nickte rasch und stand auf, während ich das Buch auf den Frisiertisch legte.

Die Dienstmädchen packten mich am Arm und zogen mich aus. Bei jeder Berührung und Drehung zuckte ich zusammen. Meine Wunden pochten, als sie anfingen, meinen Körper zu säubern und mir halfen, mich anzuziehen.

Ich war neugierig, warum meine Anwesenheit verlangt wurde, aber es war das Beste, meinen Mund zu halten.

„Dreh dich um”, sagte das oberste Dienstmädchen. Ich drehte mich langsam um, aber sie stieß mich, damit ich mich schneller umdrehte.

Ich biss mir auf die Lippen und machte mich auf das Schlimmste gefasst. Ich zwängte mich in ein Korsett, atmete tief ein und richtete meinen Blick auf den Spiegel direkt vor mir. Meine Wunden am Rücken pochten, als sie das Korsett immer enger zog.

Eine einzelne Träne kullerte über mein Gesicht. Ich schluckte den Schmerz hinunter und hielt meinen Kopf erhoben.

Dann war sie fertig und die auch die anderen Dienstmädchen hatten ihre Arbeit an mir verrichtet. Ich starrte mich im Spiegel an.

Ich trug ein langes, blaues Kleid mit Rüschen, das meine Augen noch blauer aussehen ließ. Das Korsett betonte meinen schlanken Körper, gab mir eine schmale Taille, eine üppigere Brust und dickere Oberschenkel.

Die Dienstmädchen steckten mir den Pferdeschwanz hoch und legten mir ein wenig Make-up auf. Meine Sommersprossen waren immer noch sichtbar, obwohl sie Puder aufgetragen hatten. Sie gaben mir ein paar einfache goldene Ohrringe.

Als sie fertig waren, bat das oberste Dienstmädchen alle, den Raum zu verlassen.

Nervös spielte ich mit meinen Händen.

„Der König hat den Befehl gegeben, dass du anwesend sein sollst. Es wirst also nur du anwesend sein und niemanden sonst. Er wird dir erklären, warum er nach dir gerufen hat. Haben wir uns verstanden?”, fragte das oberste Dienstmädchen und schaute streng auf mich herab.

„Ja”, sagte ich mit gesenktem Kopf.

„Gut, lass uns gehen”, sagte das oberste Dienstmädchen, als sie die Tür öffnete und ich hinausging.

Ich folgte dem obersten Dienstmädchen und hielt meinen Kopf gesenkt. Jeder, der uns erblickte, schaute mich erstaunt an. Alle wusste von mir, aber nur wenige hatten mich schon einmal gesehen.

„Das ist sie?”

„Ja, sie ist die Verfluchte.”

„Oh, das erste Mal, dass ich sie sehe.”

„Sie ist einfach eine scheußliche Frau.”

„Sieh sie dir an, so hässlich.”

„Abscheulich.”

„Der König hasst sie.”

„Warum hat er sie nicht getötet?”

All die Stimmen flüsterten neugierig, als sie mich ansahen. Ich fühlte mich wie eine Maus in der Falle.

Schmunzelnd versuchte ich mir vorzustellen, dass alles, was sie sagten, lustig war. Ich konnte nicht zulassen, dass ihre Worte mich verletzten. Ich war kein schwaches Mädchen.

Ich trug keinerlei Schuld an meiner Situation. Das alles war wegen meines Vaters.

Ich hielt inne und hob meinen Kopf. Zwei große Wachen standen dort mit erhobenen Köpfen. Keiner der beiden sah mich an. Ich stand kerzengerade und schluckte den ganzen Schmerz hinunter, den ich fühlte.

„Erinnere dich an deine Umgangsformen, wenn du nicht bestraft werden willst”, flüsterte mir das oberste Dienstmädchen ins Ohr.

Ich nickte gehorsam, als sich die Türen zum Thronsaal öffneten. Stimmen und Gelächter schlugen mir im Gang entgegen, in dem ich stand. Als ich eintrat, raffte ich mein Kleid und ging in die Mitte des Raumes.

Weiße und goldene Wände mit goldenen Wasserspeiern schmückten den riesigen Thronsaal. In der Mitte des Bodens lag ein roter Teppich.

Kronleuchter erhellten den Raum und ihr Licht spiegelte sich auf dem weißen Marmorfußboden, der gut sichtbar war.

Als sie mich bemerkten, wurden alle still. Alle sahen mich an, als wäre ich eine Beute.

Mindestens zwölf Männer saßen auf Holzstühlen mit goldenen Mustern. Jeder Mann hatte einen Becher Wein und Essen neben sich.

Die alten Trottel sahen mich an. Manche mit Abscheu, andere mit einem Grinsen, das mich zu verschlingen drohte, und wieder andere mit Hass, wie mein Vater, der auf seinem goldenen Thron saß.

„Ehre sei dem König des Pallatinischen Reiches”, sagte ich und verneigte mich respektvoll.

„Du darfst dein Haupt erheben”, sagte mein Vater, König Azar. Ich tat, was er verlangte, und sah ihn an. Seine braunen Augen und sein schokoladenbraunes Haar, das dem meinem ähnelte, sahen mich mit Abscheu an. Warum hasste er mich so sehr?

„Das ist also deine andere Tochter?”, sagte eine Männerstimme, wie ich mit einem kurzen Blick zur Seite feststellte.

„Ich habe gehört, sie sei hässlich, aber sie ist eine Schönheit”, sagte eine andere Stimme.

„Schade, dass sie diese Narben hat”, sagte der erste Mann wieder.

Ich hielt meinen Blick nach vorne gerichtet. Ohne jede Regung sah ich meinen Vater an. Seine Augen wandten sich nicht von den meinen ab. Er schein ein Loch durch mich hindurchbrennen zu wollen.

„Genug”, sagte mein Vater und stützte seinen Kopf auf seine geballte Faust, was ein Zeichen für seine unterdrückte Wut war. „Prinzessin, du wurdest herbeigerufen, weil wir Neuigkeiten für dich haben.”

Ich runzelte leicht die Stirn. Von welchen Neuigkeiten sprach er?

„Wir haben ein kleines, dringendes Geschäft zu tätigen, und du bist die Betroffene”, sagte mein Vater, während er mich stirnrunzelnd ansah. Ich war so verwirrt, dass ich auf den Boden schaute.

Ich machte einen Fehler als ich meinen Mund öffnete und fragte: „Von welchem Geschäft sprichst du?”

Ich merkte erst spät, dass ich ohne Erlaubnis gesprochen hatte. Ich senkte meinen Kopf. Angst machte sich breit, denn ich wusste, dass ich bestraft werden würde, weil ich gewagt hatte das zu tun.

„Das Geschäft, dich zu verheiraten!”, erwiderte mein Vater. Sein Gesicht zuckte vor Wut. Dann sah ich durch meine Wimpern, wie er sich an der Armlehne festkrallte. „Du sollst verheiratet werden.”

Niemand sprach ein Wort. Ich wartete darauf, dass mein Vater fortfuhr. Meine Finger bohrten sich in meine Haut, während ich seinen Satz in meinem Kopf wiederholte. Wollte er mich verheiraten? Wurde ich gerade verheiratet?

„Sag es ihr einfach”, sagte eine Männerstimme genervt. Ich sah die Person an, die gesprochen hatte. Als ich erkannte, wer es war, wandte ich meine Augen wieder ab.

„Dreckskerl”, murmelte ich vor mich hin.

Ich hatte es vorher nicht bemerkt, aber mein Onkel saß ganz vorne. Er war der Bruder meiner verstorbenen Mutter. Er hasste mich, weil er mich für den Tod meiner Mutter verantwortlich machte.

„Prinzessin des Pallatinischen Reiches, du wirst mit dem König des Reiches von Etuicia verheiratet werden. König Maximus Joric Perica.”

Ich riss meinen Kopf hoch.

„W-was?”, murmelte ich ungläubig. Ich sollte mit dem König des Reiches Etuicia verheiratet werden? Aber das war ein Reich, mit dem wir verfeindet waren. Das war doch unser Feind.

„Von morgen an gehörst du nicht mehr zu diesem Reich. Bereite dich darauf vor, ins Reich Etuicia gebracht zu werden”, sagte mein Vater. „Geht alle hinaus.”

Schockiert, rührte ich mich nicht vom Fleck. Ich versuchte, Worte zu formulieren, aber aus meinem geöffneten Mund kam nichts heraus. Dann, als ich meine Hand an meinen zitternden Mund führte, sah ich einen Schatten vor mir stehen.

Überrascht sah ich auf. Mein Vater, König Azar, schaute auf mich herab. Durch seinen großgewachsenen und breiten Körper fühlte ich mich kleiner als ich eigentlich war.

Er gab mir eine Ohrfeige, und ich fiel auf die Knie.

„Wer hat dir erlaubt zu sprechen?”, sagte mein Vater, während er mich wütend anstarrte. Ich hielt mir die brennende Wange. Ein metallischer Geschmack in meinem Mund machte mir bewusst, dass ich verletzt war.

„Du bist ein Glückspilz. Wenn es nicht so wäre, dass du morgen ins Reich Etuicia gebracht würdest, hätte ich dich geohrfeigt, bis du bewusstlos geworden wärst.”

In meinen Augen sammelten sich Tränen.

„Gott sei Dank verschwindest du endlich. Achte darauf, dass du deinen ganzen Krempel mitnimmst. Nun, was sage ich da? Besitzt du überhaupt etwas?”, zischte mein Vater, während er mir ins Gesicht spuckte. Ich zuckte zusammen.

Ich wischte seine Spucke mit meiner Hand ab und sah zu ihm auf. Zum ersten Mal sah ich, wie seine Augen sich weiteten.

„Ich bin froh, dass ich dich verlasse, du nutzloser Mistkerl!” Ich fauchte wütend.

„Wie hast du mich genannt?”, sagte mein Vater, während er an meinen Haaren zog und mich aufschreien ließ. „Sag das nochmal!”

Ich fasste Mut und spuckte ihm ebenfalls ins Gesicht. Er stöhnte wütend auf und trat mich dann. Keuchend hielt ich mir den Bauch.

„Du bist nutzloser Abschaum, der nie hätte geboren werden dürfen. Geh einfach”, sagte mein Vater und ließ mein Haar los.

Ich rappelte mich auf und ließ meinen Tränen freien Lauf. Dann wandte ich mich von ihm ab und ging aus dem Zimmer.

Ich rannte hoch in mein Schlafzimmer. Es schien so weit entfernt, dass ich zu ersticken glaubte. Laut schluchzend rannte ich hoch und schloss mich ein. Ich schob die Tür zu und weinte laut. Ich ließ den ganzen aufgestauten Schmerz heraus.

Wütend band ich mein Haar los. Von allem genervt, zog ich mich aus. Meine Wunden waren durch das Korsett taub. Als ich auf meinen Rücken schaute, sah ich, dass Blut auf den Boden tropfte.

Ich holte die Notfallbox mit den Medikamenten und öffnete sie. Zitternde Hände versuchten, die blutenden Wunden zu verarzten. Meine Tränen machten es nur noch schwieriger.

Ich trocknete mein Gesicht mit dem Handrücken ab und schlug wütend auf den Spiegel, so dass er zerbrach.

Als die Wut in meinem Körper abebbte, beruhigte ich mich endlich.

„Prinzessin?”, rief Mayahs sanfte Stimme von der anderen Seite der Tür.

„Geh weg!”, erwiderte ich. Ich war nicht in der Stimmung, sie zu sehen.

Ich wartete darauf, dass sie mir nicht gehorchte. Ich blieb im Badezimmer. Meine Hände griffen nach dem Wasserhahn.

„Dadurch werde ich frei sein”, murmelte ich und betrachtete mein Gesicht in den Glasscherben. „Das ist deine Chance.”

Am nächsten Tag, am frühen Morgen, kam das oberste Dienstmädchen mit anderen Dienern. Sie halfen mir, ein grünes Kleid anzuziehen, und dann schnappte ich mir die wenigen Sachen, die ich besaß, und ging hinaus.

Ich warf einen letzten Blick auf den Raum, der mir in den letzten achtzehn Jahren als Käfig gedient hatte. Ich flüsterte ein paar Abschiedsworte.

Eine braune Kutsche mit den Insignien des Reiches erwartete mich. Es gab zwei weiße Pferde und zwei Kutscher, die mir halfen, mein kleines Gepäck in die Kutsche zu laden.

Ich stieg in die Kutsche und schaute zurück. Niemand kam heraus, um mich abreisen zu sehen. Traurig lächelnd schloss ich den Fenstervorhang.

Als der Kutscher einen Befehl gab, spürte ich, wie sich die Kutsche in Bewegung setzte. Die Pferde wieherten, als sie lostrabten.

Mit einem Seufzer lehnte ich meinen Kopf auf das flauschige Kissen. „Wenigstens hat er mir eine schöne Kutsche gegeben”, murmelte ich traurig.

Gelangweilt öffnete ich den Fenstervorhang. Der Tag war düster, genau wie mein Herz. Mit einem Seufzer stützte ich mein Kinn auf meine Hand.

„Du bist endlich frei”, sagte ich zu mir selbst, „frei von seiner Folter.”

Ich war Amari, die Prinzessin des Pallatinischen Reiches. Das Mädchen mit dem Fluch. Ein Fluch, der mir bei meiner Geburt auferlegt wurde. Einer, der mein Leben beenden würde, sobald ich zwanzig wurde. Und einer, den ich mit ins Grab nehmen würde. Aber letztendlich war dies das Kreuz, das ich tragen musste - mein Kreuz, das ich zu tragen hatte.

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