Gideon (Deutsch) - Buchumschlag

Gideon (Deutsch)

Nicole Riddley

Sein perfekter Geruch

LAYLA

Das war's, ich werde heute Abend die gefürchteten Anrufe von meiner Mutter bekommen.

Ich öffne die Tür und alles im Haus ist ruhig und dunkel. Unter Lanas Tür brennt Licht. Ich spreche nicht viel mit Lana, aber wenigstens ist jemand zu Hause.

Früher haben wir zu fünft hier gewohnt: Lana, Isaac, Jonah, dem das Haus gehört, sein Cousin Quincy und ich.

Ich schalte das Licht in meinem Schlafzimmer an und lasse meine Reisetasche auf mein Bett fallen. Meine Wut verwandelt sich in Traurigkeit, als ich auf das leere Bett auf der anderen Seite des Zimmers starre. Das gehörte früher Quincy. Meine Mitbewohnerin ist ausgezogen, nachdem sie sich ihren Gefährten gefunden hatte.

Alles auf dieser Seite des Zimmers ist jetzt leer. Sogar ein kleiner alter, zerbrochener Spiegel und ein silbergerahmtes Bild ihrer geliebten Oma sind von der Wand verschwunden.

Ich wünschte, sie wäre hier. Sie hat mich immer über meine eigenen Probleme hinweggetröstet, indem sie mich mit ihrem Männerproblemen unterhalten hat. Also, nur der eine Mann, mit dem sie sich jetzt gepaart hat.

Sie hat sich einen hübschen Lykaner geangelt.

Glückliche Girl!

Ich freue mich sehr für sie und denke, dass sie all das Glück verdient hat, aber ich vermisse sie auch. Ich vermisse sogar ihr Gemecker und ihren schmuddeligen Teddybär Oliver.

Ich hätte mich ihr gegenüber mehr öffnen sollen, als sie hier wohnte.

Um ehrlich zu sein, bin ich sogar ein bisschen ausgeflippt, als sie letzte Woche ausgezogen ist.

Jetzt, wo ich das Zimmer nicht mehr teile, muss ich vielleicht wieder die volle Miete zahlen. Ich glaube nicht, dass ich mir das leisten kann. Ich muss diesen Monat noch meine Schulden bezahlen.

Ich will meinen Vater nicht um das Geld bitten. Vielleicht muss ich mir bald einen besser bezahlten Job suchen oder so.

Ich nehme meine Kamera und meinen Laptop aus meiner Tasche und lege sie auf meinen kleinen Schreibtisch. Ich habe meine Kamera überallhin dabei, aber in den letzten Tagen hatte ich nicht viel Zeit, um Fotos zu machen.

Ich bin fur einen zweijährigen Fotografiekurs an einem kleinen College eingeschrieben, eine kurze Busfahrt von meinem jetzigen Wohnort entfernt. Man hat mir gesagt, dass ich ziemlich gut bin.

Mein Vater hat finanziell am Anfang zähneknirschend ausgeholfen, aber jetzt versuche ich mich allein zu durchzuschlagen. Ich würde meiner Familie gegenüber nie zugeben, wie sehr ich damit kämpfe, meine Rechnungen zu bezahlen.

Seltsamerweise war es meine Oma, die mir das Geld gab, um meine erste Ausrüstung für den Kurs zu kaufen, darunter auch die Kamera.

Natürlich kam sie mit der Warnung, dass sie mich umbringen müsste, wenn ich jemandem davon erzähle. Ich verstehe das. Schließlich muss sie ihren Ruf aufrechterhalten. Ich habe es natürlich niemandem erzählt.

Unter anderem bin ich deshalb wohl noch am Leben.

Meine Mutter und mein Vater haben versucht, mich zu überreden, nach Hause zu kommen und alles zu vergessen. In unserem Rudel gehen nur sehr wenige Mädchen aufs College. In meinem Alter sind typischerweise schon gepaart und zu sehr damit beschäftigt, Babys zu produzieren, sobald sie ihre Gefährten gefunden haben.

Ich glaube, das ist es, was sich meine Familie für mich wünscht.

Obwohl ich mir einen Gefährten wünsche, träume ich auch davon, unabhängig zu sein. Ich träume davon, mein eigenes Studio zu eröffnen oder um die Welt zu reisen und zu fotografieren.

Ich will frei sein, aber ich will diese leidenschaftliche alles verzehrende Liebe.

Das ist so ein Widerspruch, ich weiß. Aber ich denke, dass es außerhalb des Territoriums unseres Rudels mehr zu sehen, zu erleben und zu erforschen gibt.

Vielleicht ist es nur ein Wunschtraum. Das Beängstigende daran ist, dass ich vor meinem inneren Auge sehen kann, wie ich vor meiner Familie einknicke.

***

"Marnie ist krank, also hoffe ich, dass du das Haus von Lord Archer und eine weitere Wohnung übernehmen kannst, Layla", sagt Beth. Sie ist eine Werwölfin und die Besitzerin des Elly Maid's Cleaning Service. "Den Rest überlasse ich Jess und Sarah." Sie reicht mir ein paar Dokumente.

Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen...

Etwas in der Art von "NEIN!"

Aber sie unterbricht mich.

"Hör zu, Layla, wenn du in dieser Firma weiterkommen willst, musst du ein bisschen von deiner Freizeit opfern."

Ich möchte sagen: "Welche Freizeit?" oder "Welche Zukunft in diesem Unternehmen?"

Ich hatte nicht vor, lange für dieses Unternehmen zu arbeiten.

Ich weiß, dass Marnie Beths Favoritin ist und dass sie sich aussuchen kann, an welchen Orten sie arbeiten darf, aber ich habe schon eine Menge zu tun.

Ich gehe zum College und putze Büros und Häuser, um die Rechnungen zu bezahlen. Zwischen College und Arbeit an Wochentagen und meinem Familiendrama an den Wochenenden habe ich keine Freizeit.

Ich habe auch nicht vor, für den Rest meines Lebens die Häuser anderer zu putzen. Nicht, dass an dem Job etwas auszusetzen wäre. Es ist ehrliche, harte Arbeit und keine Schande, aber es ist nicht mein Traum.

Manchmal putze ich abends von 21 Uhr bis 3 Uhr morgens Büros. Manchmal putze ich auch komplette Häuser von oben bis unten.

"Beide Wohnungen müssen zweimal pro Woche gereinigt werden", fährt Beth fort und zeigt auf die Papiere. Die beiden zusätzlichen Aufträge sind eine Wohnung und ein Penthouse.

Ich schätze, ich kann auf einigen Luxus verzichten... wie Schlaf.

"Oh, und Archer möchte, dass du pünktlich kommst und gehst. Der Zeitplan ist da."

Mit anderen Worten: Er will, dass sein Haus wie von Zauberhand gereinigt wird, aber er zieht es vor, die Reinigungskräfte nicht zu sehen. Für mich ist das völlig in Ordnung, ist mir sogar lieber.

Es ist mir unangenehm zu putzen, wenn die Besitzer da sind... und zusehen.

***

"Ich habe gehört, dass Marnie sich Pfeiffersches Drüsenfieber eingefangen hat", flüstert Jess fröhlich, als ich die beiden anderen Kolleginnen später sehe.

"Oh, weil sie mit so vielen Typen rummacht? Sie kommt erst in ein paar Wochen zurück!", antwortet Sarah. "Ich frage mich, mit welcher Bazillenschleuder sie rumgeleckt hat."

"Eher mit wem sie noch nicht rumgeleckt hat?", sagt Jess.

Beide kichern und ich verlasse das kleine Büro, ohne ein Wort zu sagen. Ich weiß, dass Marnie eine Schlampe ist und niemand sie mag, aber ich mag es nicht, zu lästern.

***

Zum ersten Mal, seit ich mit dem Putzen angefangen habe, habe ich Lust, etwas zu stehlen.

Dieses Kopfkissen. Ich streiche mit den Fingern über den glatten, seidigen Kissenbezug und reibe meine Wange daran. Ich bin in Versuchung, dieses Kissen zu klauen. Nur dieses eine, damit ich es auf mein Bett legen und darauf schlafen kann... jede Nacht.

Vielleicht auch tagsüber. Ich werde einfach für immer im Bett bleiben.

Das ganze Penthouse riecht so betörend, aber der Geruch ist sehr schwach. Sobald ich jedoch das Hauptschlafzimmer betrete, hüpft mein Herz in meiner Brust und mein Atem wird schneller.

Es riecht so gut. Ich bin verloren.

Der Geruch ist hier am stärksten, besonders auf diesem Bett.

Es zieht mich an wie eine Droge.

In dem Moment, in dem ich mich auf das kühle Laken lege und meine Nase im Kissen vergrabe, fühle ich mich high. Ich reibe mein Gesicht in das Kissen und stelle mir den Mann vor, der letzte Nacht seinen Kopf auf dieses Kissen gelegt hat.

Gideon Archer muss heiß sein. Keiner, der so gut riecht, kann hässlich aussehen. Niemals.

Ich weiß, dass das Zimmer ihm gehört, weil ich vorhin seine Hemden, Anzüge, Schuhe, Gürtel und Krawatten im Schrank gesehen habe. Der Größe seiner Klamotten nach zu urteilen, ist er kein kleiner Mann.

Alles ist so perfekt organisiert.

Ein Paar seiner Schuhe kostet wahrscheinlich mehr als das, was ich in einem Jahr verdiene.

Das Penthouse selbst ist beeindruckend. Es ist ein großer, offener Raum mit hoher Decke. Die beiden Wände bestehen aus Glasfenstern mit Blick auf das Meer, den weiten Himmel und einige Gebäude.

Der Boden ist mit edlem dunklem Parkett ausgelegt.

Das Wohnzimmer hat zwei geschwungene weiße Sofas mit weichen grauen Kissen und einen dicken, luxuriösen Teppich. An der hinteren Wand befindet sich eine Bar mit einer glänzenden weißen Marmorarbeitsplatte.

Eine breite, geschwungene Treppe führt hinauf... in dieses Schlafzimmer.

Überall, wo ich hinschaue, gibt es Extravaganz und doch besitzt alles eine schlichte Eleganz. Alles hier raubt mir den Atem, nur der Geruch nicht.

Der Geruch...

Der Klingelton von meinem Handy schrillt in meine Gedanken und ich springe aus dem Bett. Es ist meine Mutter, die anruft... schon wieder.

Das erinnert mich daran, dass ich weniger als dreißig Minuten Zeit habe, um hier aufzuräumen.

Was zum Teufel, Layla! Meine Chefin würde mich bestimmt feuern, wenn sie wüsste, was ich mache und wie ich meinen Gedanken nachhänge. Ich habe keine Zeit, von einen gut riechenden Kerl zu träumen.

Was ist los mit mir?

Ich lasse den Anruf unbeantwortet und summe den Klingelton mit, während ich das Bettlaken vom Bett abziehe, um es in die Reinigung zu bringen.

Das Klingeln hört auf. Mama wird mich wahrscheinlich bald wieder anrufen. Oh Gott! Meine Mutter wird mich umbringen.

Als nächstes beziehe ich das Bett mit frischer Bettwäsche.

So, fertig!

Impulsiv lege ich mich wieder auf das perfekt gemachte Bett und lege meinen Kopf auf sein Kissen. Ich kann nicht anders. Der Geruch ist immer noch da, wenn auch nicht mehr so stark, und sein Bett ist so bequem. Die Laken sind so weich.

Ich stelle mir vor, dass er heute Abend genau hier liegen wird.

Oh Mann, Layla. Was ist nur in mich gefahren?

Ich springe schnell auf und streiche das Bett wieder glatt.

Auf dem Tresen liegt ein Umschlag, der an die Reinigungskraft adressiert ist. Ich starre auf die Handschrift. Eine schöne, selbstbewusste Schrift auf dem Umschlag.

Darin ist ein sehr großzügiges Trinkgeld versteckt.

Kein Wunder, dass Marnie lieber Wohnungen und Penthäuser putzt, anstatt wie die meisten von uns Büros.

Ich wünschte, es gäbe ein Foto von ihm. Es gibt keine Bilder oder persönlichen Gegenstände außer seiner Kleidung im Schrank. Das ist seltsam.

Das Zimmer am Ende mit einem Balkon gehört eindeutig einer Frau. Ich kann ihr Parfüm riechen und alle ihre persönlichen Gegenstände sehen.

Warte! Was ist, wenn sie verheiratet sind? Ich stehe weder auf verheiratete Männer noch auf verlobte Männer oder Männer mit Freundinnen... und sei es nur, um davon zu träumen.

Das fühlt sich einfach falsch an.

Ahhh!

Ich muss mich mehr ins Dating stürzen... nur nicht mit Kofi.

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