Vor dem Alpha versteckt - Buchumschlag

Vor dem Alpha versteckt

Katlego Moncho

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Chapter
15
Age Rating
18+

Summary

Juniper ist eine Werwölfin, die sich nicht verwandeln kann. Als ihr Vater, der Alpha, sie aus ihrem eigenen Rudel vertreibt, findet sie sich als Verstoßene in einem fremden Land wieder. Aber sie ist kurz davor, einen anderen Alpha zu treffen. Einen, der ihr Leben für immer verändern wird …

Altersfreigabe: 18+

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Happy Birthday to Me

JUNIPER

Eigentlich hätte ich mich auf den Tag heute freuen sollen. Immerhin war es einer der wichtigsten Tage meines Lebens.

Ein Tag zum Feiern.

Nur, dass ich wusste, was heute, an meinem dreizehnten Geburtstag, auf mich zukommen würde. Das löste garantiert keine Freude in mir aus. Eher Angst und Verzweiflung. Die ganzen Erwartungen, die ich erfüllen musste. Und wenn mir das nicht gelang - wenn ich kläglich versagte - würden meine Eltern mich nie akzeptieren.

Geburtstage waren eine Prüfung. Zumindest war das bei meinen so. Ich konnte mich gar nicht an irgendein Jahr erinnern, in dem meine Eltern meine Geburt gefeiert hätten. Nicht, dass sie sich an den anderen Tagen sonderlich über mein Dasein gefreut hätten …

Meine Eltern hatten mich schon früh zu meinen Großeltern abgeschoben – eine Tatsache, für die ich ihnen ewig dankbar sein werde. Wer weiß, was ohne die beiden aus mir geworden wäre. Sie haben mich großgezogen und mir alles beigebracht, was wichtig ist im Leben. Vor allem aber haben sie mich mit ihrer Liebe überschüttet.

Wie an fast allen meinen Geburtstagen war der Himmel auch heute grau und bewölkt. Regen prasselte laut gegen die Fensterscheiben. Doch das rythmische Trommeln aufs Dach unseres Hauses tröstete mich irgendwie. Und es beruhigte meine angespannten Nerven.

Mein Geburtstag war nicht der Grund, warum ich so nervös war. Mir graute es vor dem, was heute passieren sollte. Alle – mein Vater, meine Mutter, meine Familie, unser Rudel – erwarteten von mir, dass ich heute zum ersten Mal meine Gestalt wandelte.

Genau heute sollte ich meinen rechtmäßigen Platz als Thronerbin des Alphas einnehmen.

Das ging allerdings nur, wenn ich es schaffte, mich vollständig in einen Wolf zu verwandeln.

Ich frühstückte allein und wünschte, ich hätte mir das Essen gespart.

Ein lautes Donnergrollen brachte das ganze Haus zum Zittern, und von draußen hörte ich Stimmen, die versuchten, das Gewitter zu übertönen. Es war, als wollte sich die Gefahr mit möglichst viel Getöse ankündigen.

Als ich auf die Veranda heraustrat, war der Regen stärker geworden. Vielleicht kam mir das aber auch nur so vor. Vor unserem Haus hatte sich eine Menge versammelt – unser Rudel –, und ein wirres Stimmengemurmel hallte über die Lichtung. Ich konnte kein einziges Wort verstehen.

Dann entdeckten sie mich, und nach und nach verstummte das Gerede. Trotz des sintflutartigen Wolkenbruchs waren sie alle gekommen. Erwachsene und Kinder. Mein Großvater.

Mein Vater.

Und neben ihm stand Jacob, arrogant und stolz. Er war Waise und erst seit Kurzem in unserem Rudel. Mein Vater hatte ihn aufgenommen und behandelte ihn seitdem wie einen eigenen Sohn.

Jedes Mal, wenn ich die beiden zusammen sah, versetzte es mir einen Stich.

„Juniper. Komm her.“

Am liebsten hätte ich mich umgedreht und mich wieder ins Bett gelegt.

Hätte ich das doch bloß getan.

Aber ich war machtlos. Ich musste seinem Befehl folgen.

Also trat ich zögernd von der Veranda hinunter in den glucksenden Schlamm. Sofort wich die Menge zurück.

„Dayton, sie ist noch nicht so weit“, sagte mein Großvater mit flehender Stimme. Die beiden sahen sich sehr ähnlich. Doch während Großvaters Augen voller Wärme waren, lag in denen meines Vaters nur Eiseskälte.

„Dann wird sie es jetzt schnell lernen müssen. Und das wird sie auch. Sie hat schließlich meine Gene.“ Erwartungsvoll blickte mein Vater mir entgegen, während ich langsam näher kam.

„Was ist los?“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, und als mein Großvater mich ansah, versagte sie ganz. In seinen Augen lag Furcht. Und Verzweiflung.

„Bitte, mein Sohn. Lass sie in Ruhe. Sie ist doch dein Kind.“

Mein Vater verzog den Mund zu einem grausamen Lächeln. „Wenn June ihrer Rolle gewachsen ist, wird sie sich auch verwandeln. Und sie wird kämpfen. So wie alle Alphas vor ihr.“

Jacob konnte sich bereits in seinen Wolf verwandeln. In seinen Adern floss Alphablut, genau wie in meinen. Er hatte erst kürzlich, an seinem dreizehnten Geburtstag, zum ersten Mal die Gestalt gewechselt.

„Es ist noch zu früh.“

Ich hatte keine Ahnung, wo meine Großmutter an diesem Morgen war, aber meine Mutter stand etwas abseits – eine stumme Zuschauerin mit unbeteiligtem Gesicht. Als sie jetzt allerdings das Wort ergriff, klang ihre Stimme genauso kalt wie die meines Vaters. „Nicht, wenn das Schicksal es anders entscheidet. Jeder rechtmäßige Alpha verwandelt sich an seinem dreizehnten Geburtstag.“

„Du verstehst das nicht. Ihr habt es beide noch nie verstanden.“ Beschwörend trat mein Großvater noch näher an meinen Vater heran.

„Es reicht!“ Ein erneutes Donnern ertönte, und im nächsten Moment stieß mein Vater meinen Großvater zu Boden.

„Hör auf!“ Ich stand jetzt direkt vor ihnen, hilflos und voller Angst. Jacobs Wolf baute sich drohend neben meinem Vater auf, der sich nun zu mir umdrehte. Boshaftigkeit und gespannte Erwartung spiegelten sich in seinem Gesicht.

„Es ist Zeit, Juniper. Du weißt, welcher Tag heute ist. Verwandle dich und kämpfe mit Jacob um deinen Titel.“

Doch das konnte ich nicht.

Ich versuchte es – immer wieder –, rief verzweifelt nach meiner Wölfin und wartete auf irgendein Anzeichen, dass ich mich verwandeln würde. Aber es passierte nichts. Ich stand da wie angewachsen.

Das Klicken einer Waffe hallte ohrenbetäubend laut über das Tosen des Regens hinweg. Ich sah, wie mein Großvater zusammenzuckte, als sich der Lauf der Pistole an seinen Kopf presste. Vaters Augen funkelten böse, während er die Waffe noch tiefer in Großvaters Schläfe bohrte.

„Wandle dich, oder ich erschieße ihn.“ Seine Hand war vollkommen ruhig. Nicht das kleinste Zittern war zu erkennen, und die Menge schaute schweigend zu.

Hilfesuchend sah ich sie an, versuchte meinen Vater mit Blicken umzustimmen, während ich gleichzeitig das Tier in mir anflehte, sich endlich zu zeigen.

„Verwandle dich!“

„Ich kann nicht.“

Ein Schuss knallte dröhnend durch das Unwetter.

***

Schweißgebadet und mit klopfendem Herzen fuhr ich aus dem Bett hoch. Das Geräusch des Knalls hallte immer noch durch meinen Kopf.

Wieder dieser Albtraum.

Der Albtraum, in dem ich noch einmal den schrecklichsten Moment meines Lebens durchmachen musste.

Du bist jetzt in Sicherheit, June. Es ist vorbei.

Starlet. Ich seufzte erleichtert. Ihre Worte hatten etwas Tröstliches, und langsam beruhigte sich mein Herz wieder, anstatt weiter zu versuchen, aus meiner Brust hinauszugaloppieren. ~Ich wünschte nur, ich müsste das nicht immer wieder durchmachen.~

Und ich wünschte, ich wäre schon eher bei dir gewesen.

Starlet war erst nach diesem furchtbaren Tag vor fünf Jahren zu mir gekommen. Unsere Wandlung hatten wir allerdings immer noch nicht ganz vollzogen. Warum das so war, hat mir meine Wölfin nie verraten, aber es war mir auch egal. Sie war jetzt hier, bei mir, und sie war immer für mich da, wenn ich sie brauchte. Eine gute Freundin. Das war alles, was zählte.

Ein leises Klopfen unterbrach unser innerliches Gespräch, und im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet.

Meine Großmutter kam herein. Als sie sah, dass ich schon auf war, verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln. Man sah ihr das Alter zwar nicht an, doch die Trauer um den Verlust ihres Gefährten hatte dennoch Falten um ihre Augen hinterlassen, und ihre Schultern krümmten sich stets nach vorn.

Ich war mir sicher gewesen, dass sie mir die Schuld geben würde für das, was an jenem Morgen passiert war. Beim Anblick meines toten Großvaters hatte sie so verzweifelt ausgesehen, dass ich dachte, ich hätte auch sie für immer verloren. Immerhin hatte ihr Aufschrei meinen Vater so beeindruckt, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte.

Irgendwann war Großmutter dann zu mir gekommen, hatte mich in die Arme genommen und mich zu sich ins Haus geführt. Dort lebe ich nun seit fünf Jahren.

Ich hatte Angst, das Haus zu verlassen. Ich war davon überzeugt, dass mein Vater mir das Gleiche antun würde wie meinem Großvater. Deshalb beschlossen wir, dass es das Beste war, wenn ich mich versteckte, bis … na ja, bis mich irgendetwas oder irgendjemand dazu zwang, von hier zu verschwinden.

„Alles Gute zum Geburtstag, June.“ Großmutter schlurfte über den knarzenden Dielenboden. In den Händen hielt sie eine kleine Torte, auf der mehrere Kerzen flackerten. „Wünsch dir was, Kleines.“

Lächelnd schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf meinen Wunsch.

Plötzlich fegte ein Windstoß durch den Raum. Die Vorhänge flatterten, und die Tür fiel krachend ins Schloss. Als ich die Augen wieder öffnete, waren die Kerzen erloschen und Großmutters Frisur vom Winde verweht. Ärgerlich sah sie mich an.

„June!“

„Du hast gesagt, ich soll üben.“

„Aber Magie benutzt man nicht einfach so, vor allem nicht die Kraft der Elemente“, schimpfte sie mich aus, während sie sich das Haar glattstrich.

Mit einem einzigen Gedanken zündete ich die Kerzen wieder an. Kleine Flammen hüllten die Dochte ein, entfacht durch einen magischen Funken. Dann spitzte ich die Lippen und blies sie auf die übliche Art aus, bevor ich Großmutter mit unschuldigem Gesicht anlächelte. Sie warf mir einen strengen Blick zu.

„Okay, okay“, sagte ich lachend. „Es tut mir leid.“

Sofort wurden Großmutters Gesichtszüge weicher, und ein Schmunzeln spielte um ihre Lippen.

Im Laufe der Jahre, die ich hier lebte, hatten sich meine magischen Fähigkeiten immer weiter entwickelt. Zum ersten Mal hatte ich die Kraft der Elemente benutzt, als ich eines Tages mit Fieber aufgewacht war und prompt das Bad unter Dampf gesetzt hatte.

Doch Großmutter ging ganz locker damit um, obwohl es noch eine Sache war, die mit mir nicht stimmte. „Du bist einfach was ganz Besonderes, Juniper. Du wirst mal Großes erreichen, Kleines“, hatte sie gesagt, als ich weinend zu ihr gekommen war.

„Regnet es heute mal wieder?“ Sie nickte bestätigend. Das war keine große Überraschung.

Es regnete immer an meinem Geburtstag.

„Ich muss gleich noch mal weg. Tabatha braucht meine Hilfe, sie hat irgendein Problem in ihrem Haus.“ Halb kichernd, halb besorgt strich Großmutter mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es ist doch in Ordnung für dich, wenn ich dich für ein paar Stunden allein lasse? ”

Selbstsicher lächelte ich sie an. „Klar. Geh du ruhig und hilf Tabatha bei ihrem Problem. Was auch immer es diesmal ist.“

Ich hatte mir einen bestimmten Tagesablauf angewöhnt, obwohl – oder vielleicht auch weil – ich den ganzen Tag im Haus gefangen war.

Erst Frühstück, dann Hausaufgaben, anschließend so viel Training wie möglich und danach Freizeit, bis das Abendessen anstand. Die Abende verbrachte ich normalerweise mit Großmutter vor dem Fernseher und schaute mir mit ihr ihre jeweils aktuelle Lieblingssendung an.

Heute allerdings ertappte ich mich dabei, dass ich durchs Fenster hinaus in den Garten blickte. Manchmal sehnte ich mich regelrecht danach, hinaus in den Sonnenschein oder den kühlen Regen zu gehen oder den sanften Wind auf der Haut zu spüren.

Am Anfang war diese Sehnsucht kaum auszuhalten gewesen, doch irgendwann hatte ich gelernt, sie zu unterdrücken.

Zumindest dachte ich das.

Aber erst, als ich schon das halbe Frühstück verputzt hatte, wurde mir klar, dass es Starlet war, die mich drängte, das Haus zu verlassen.

Lass uns heute rausgehen.

Mitten in der Bewegung hielt ich inne, den Löffel voll Cornflakes schon halb im Mund.

Starlet, bitte. Du weißt doch, das geht nicht.

Aber wir müssen das machen, June. Wir brauchen das.

Es geht nicht! Was ist denn heute los mit dir?

Ich hab einfach das Gefühl … es wird Zeit. Wir können nicht für immer eingesperrt bleiben. Das tut uns Wölfen nicht gut. Und euch Menschen auch nicht.

Ich konnte Stars Verzweiflung spüren, ihren wachsenden Frust.

Und ganz ehrlich? Ich wollte auch raus.

Es ist zu gefährlich. Was, wenn uns jemand sieht?, fragte ich, doch selbst in meinen Ohren klangen meine Worte hohl.

Heute sind bestimmt nicht viele Leute draußen.

Damit hatte Starlet natürlich recht. Der Himmel hing voller Wolken, und wir hatten fürchterliches Wetter. Die meisten im Rudel würden sicher zu Hause bleiben. Oder?

Wir könnten einen Spaziergang durch die Wälder machen. Da entdeckt dich niemand.

Mehr Überredung brauchte ich nicht.

Draußen schlug mir ein beißender Wind entgegen, aber der Regen hatte nachgelassen. Trotzdem sprang ich schnell von der Veranda in den Garten und beeilte mich, unter das schützende Blätterdach der Bäume zu kommen.

Großmutters Haus lag einsam und verlassen am Rand der Wälder, die das Land unseres Clans durchzogen. Hierher verirrte sich selten jemand, und ich vermutete, Großmutter hatte sich diesen Ort genau deshalb ausgesucht.

Es hatte etwas wahnsinnig Befreiendes, durch die Wälder zu laufen. Hier war es so friedlich und still, nur die Zweige knackten unter meinen Füßen und das Laub raschelte. Vogelgezwitscher drang träge durch die Baumkronen über mir.

Ich wünschte, wir könnten die Sonne auf der Haut spüren.

Eine wunderschöne Vorstellung. Die arme Starlet hatte nur ganz kurz Außenluft geschnuppert, bevor sie sich zusammen mit mir im Haus hatte verstecken müssen.

Kannst du da nicht was machen, June?, bettelte sie.

Oh, wie gerne würde ich das tun. Starlet war meine beste Freundin. In diesen fünf Jahren hatte sie mich durch die schlimmsten Momente begleitet. Sie hielt mich davon ab, durchzudrehen, und neben Großmutter war sie die Einzige, die mich so liebte, wie ich war.

Aber was sollte ich machen? Ich konnte ja schließlich nicht das Wetter kontrollieren.

Es tut mir wirklich leid, Star, sagte ich seufzend.

Ich spürte Starlets Enttäuschung, konnte fühlen, wie ihr das Herz brach – und meins gleich mit.

Traurig schloss ich die Augen und stieß noch einen tiefen Seufzer aus.

Was war denn das für ein Leben? Wir mussten uns heimlich aus unserem eigenen Garten rausschleichen, aus Angst, dass uns jemand sah. Wir mussten unser Leben aufs Spiel setzen, nur um einmal den Wind zu spüren oder den Sonnenschein auf der Haut.

Wenn ich doch nur ...

Auf einmal wurde der Wind stärker, rauschte laut durch die Baumkronen und scheuchte die Vögel auf.

Instinktiv öffnete ich die Augen und sah, wie die graue Wolkendecke über mir aufriss. Wie ein Vorhang glitt sie zur Seite und gab den Blick frei auf den blauen Himmel. Und darin hing: die Sonne.

Strahlend, warm und wunderschön.

Ich stand einfach nur da, wie hypnotisiert, und sog das wärmende Licht in mich auf. Auch Star regte sich in mir, wie ein Tier, das aus seinem Winterschlaf erwacht war.

Ich konnte nicht anders: Ich musste einfach lachen. Vielleicht war dieser kleine Glücksmoment hier mein Geburtstagsgeschenk von Mutter Natur.

„Hey, du!“

Mein Herz setzte einen Schlag aus, während ich unsanft wieder in die Realität zurückgeholt wurde.

Ein Ast knackte, dann ertönte ein lautes Rumsen. Erschrocken wirbelte ich herum und stand Auge in Auge mit einem Fremden.

Einem bedrohlich aussehenden Fremden.

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