Vom Drachen dominiert - Buchumschlag

Vom Drachen dominiert

C. Swallow

Frischfleisch

MADDIE

Das ist nur purer Zufall. Das ist nur purer Zufall.

Ich wiederholte die Worte immer und immer wieder in meinem Kopf, nachdem ich Hael Dobrzycka das Heim betreten sah.

Am selben Tag, an dem ich seine Schwester bestohlen hatte ...

„Hael fucking Dobrzycka“, murmelte ich.

Nur purer Zufall. Ganz genau.

„Verdammt, Maddie, du bist sowas von dran“, sagte Darshan mit panischer Stimme.

„Schhhh, lass mich nachdenken“, sagte ich barsch.

Ich schwitzte wie ein verdammtes Schwein. In meinem Kopf drehte sich alles und mein Magen spielte verrückt.

Ich hatte noch nie Angst vor irgendetwas ... Warum also fühlte ich mich bei der Ankunft von Hael Dobrzycka wie auf einer Achterbahn, von der ich nicht mehr runterkam?

„Maddie, was ist los mit dir? Du musst fliehen. Wir decken dich.“, sagte Harry und packte mich an den Schultern.

Er hatte Recht. Das einzig Vernünftige war, von dort wegzukommen, aber ich war nicht in der Lage vernünftig zu denken.

Ich wusste nicht, ob es Schicksal oder Vorsehung oder was auch immer war, aber ...

Ich fühlte mich zu Hael hingezogen.

Wenn er mich mit seinen bezaubernden smaragdgrünen Augen ansah, war es, als würde er in meine Seele blicken.

Und dieses selbstgefällige Grinsen ...

Was zum Teufel machte er hier?

Ich wusste es nicht, aber ich musste es herausfinden.

Ich kletterte die Leiter hinunter, die zur Vorderseite des Heims führte, schlich mich durch die Vorderseite und spähte durch Elles Bürotür, die leicht angelehnt war.

„Herr Dobrzycka, was für eine schöne Überraschung“, sagte Elle aufgeregt. „Ich ... ich habe nicht mit einem so späten Besuch gerechnet. Ich hätte mich sonst zurecht gemacht.“

„Ihr Aussehen ist mir egal“, sagte Hael kalt. „Ich bin aus geschäftlichen Gründen hier.“

„Wegen der Finan...Finanzierung?“ Elle schluckte. Ohne das Geld der Dobrzyckas hätte sie niemanden, den sie beklauen und ihren exzessiven Lebensstil finanzieren könnte.

Wir haben ganz sicher nichts von dieser Finanzierung gesehen.

„Ich habe ein Angebot für eines Ihres Waisenkinder“, antwortete Hael mit einem arroganten Tonfall. „Jemanden, der als mein neuer Assistent fungiert. Es wäre eine Art ... Praktikum.“

„Ich könnte Ihnen mehrere von unseren ...“

„Ich suche jemand Bestimmten“, unterbrach er sie. „Ein junges Mädchen.“

„Oh“, sagte Elle, hob ihre Augenbraue und lächelte. „Über wie jung reden wir? Sechzehn? Fünfzehn? Dreizehn? Es gibt eine Menge Mädchen hier, die Ihre Bedürfnisse befriedigen könnten.“

Mein Magen krampfte sich zusammen und ich grub meine Nägel in meine Handflächen.

Dieses verdammte Miststück - sie würde jede von uns für einen verdammten Groschen verkaufen.

„Sie verstehen das falsch“, sagte Hael und warf Elle einen angewiderten Blick zu. „Das ist rein beruflich.“

„Oh, natürlich. Was anderes hatte ich auch nicht im Sinn.“, sagte sie und versuchte, es wieder richtig zu stellen. „Nach wem suchen Sie denn?“

„Sie nennt sich Maddie, glaube ich.“

Verdammt!

In all den Jahren, in denen ich Taschendiebin war, war ich noch nie erwischt worden. Ich hätte es nie für möglich gehalten.

Aber eine Dobrzycka war genau hier und suchte nach mir.

Wie hatte mich dieses Miststück Adara erkannt? Sie hat mich nur für einen Sekundenbruchteil gesehen.

Ich war schnell.

Die Schnellste.

Das ergab keinen verdammten Sinn.

Es sei denn ...

Ich dachte an die Gravur auf der Rückseite der Uhr. Damit stach sie heraus.

Damit war sie verdammt noch mal einzigartig.

Dominic, du dummes Arschloch.

Wahrscheinlich hat er versucht, sie irgendwo zu verpfänden, wo so etwas nachverfolgt werden kann. Und in dem Moment, als es aufflog ...

Den Rest konnte ich mir zusammenreimen:

Die Dobrzyckas spüren Dominic auf ...

Dominic lässt mich auffliegen ...

Ich bin wirklich total am Arsch.

***

Großartig. Einfach verdammt großartig.

Als ich auf dem Rücksitz der Limousine saß, die mich am Morgen abgeholt hatte, konnte ich nicht anders, als mich selbst zu bemitleiden.

Ich war auf dem Weg in ein unbekanntes Schicksal. Ich hatte keine Ahnung, was die Dobrzyckas mit mir vorhatten, aber es fühlte sich an, als wäre ich auf dem Weg zu meiner Hinrichtung.

Jetzt würde ich wahrscheinlich wer weiß wie viele meiner verbleibenden Jahre hinter Gittern verbringen.

Alles, wofür ich gekämpft hatte. Jeder Nebenverdienst und jeder Betrug. Sie waren alle umsonst.

Und das Schlimmste war, dass ich Darshan und Harry vielleicht nie wieder sehen würde. Die einzige Familie, die ich je hatte.

Im Moment gab es nichts Schlimmeres.

Es war nicht so, als hätte ich jemals eine richtige“~ Familie gehabt.~

Meine Eltern? Ich wusste nur, dass sie mich in den zwei Jahren, in denen sie mich großgezogen hatten, mit nichts weiter als einem Namen zurückgelassen hatten - Madeline.

Sie hatten mich einfach im Stich gelassen, als wäre ich ein Nichts. Als wäre ich ein Niemand.

Als ich sechs Jahre alt war, beschloss Darshan, mich Maddie zu nennen, weil ich so durchgeknallt war, und das blieb so.

Denn das war es, was ich war.

Durchgeknallt.

Verrückt.

Ich war bereit zu tun, was ich tun musste, um zu überleben.

Es sah so aus, als wäre ich endgültig zu weit gegangen. Ich war am Ende.

Als das Auto parkte, gab ich auf.. Ich wusste, dass sich jeden Moment die Türen öffnen würden und die Polizei über mich herfallen und mich in den Knast werfen würde, während die Kameras das Bild der dummen Diebin festhielten, die dachte, sie könnte die mächtigsten Leute in Requiem City bestehlen.

Deshalb war ich sehr überrascht, als sich die Türen öffneten und kein Knast zu sehen war. Ich blickte auf einen gläsernen Wolkenkratzer, der sich spiralförmig nach oben in ein offenes Maul wölbte, wie das eines mythischen Tieres. Jeder, der in Requiem City aufgewachsen war, erkannte sofort, dass es sich um Req Enterprises handelte. Das Unternehmen, das von den Dobrzyckas geleitet wird.

Oh. Mist.

Ich wusste nicht, welche neue Hölle mich in diesem glitzernden Gebäude erwartete, aber plötzlich hörte sich das Gefängnis gar nicht mehr so schlimm an.

Die Dobrzycka-Brüder waren dafür bekannt, die grausamsten und schrecklichsten Menschen in der Stadt zu sein.

Ich wollte es mir nicht einmal vorstellen.

Als ich zögernd aus der Limousine stieg, begleitete mich ein privater Sicherheitsdienst hinein. Ich hatte das Gebäude noch nie aus dieser Perspektive gesehen und ich musste zugeben, dass es wunderschön war, auch wenn mein Leben wahrscheinlich dem Untergang geweiht war.

Wir stiegen in einen Aufzug und fuhren bis in den 99sten Stock hinauf.

DONG!

Als sich die Türen öffneten, sah ich nur noch Rot. Die Tapeten, die Böden, sogar die Decken des Flurs - alles blutrot.

Die Sicherheitsleute schoben mich in den Flur hinaus und standen dann im Aufzug, als sich die Türen schlossen und ich allein zurückblieb.

Was zum Teufel soll ich jetzt tun?

Ich machte einen zögerlichen Schritt nach vorne und schaute nach links und rechts.

„Hallo?“ fragte ich in den leeren Flur und fühlte mich wie eine Idiotin.

Es gab nur eine Tür ganz am Ende des Flurs. Ich fragte mich, was sich dahinter verbarg. War es Adara?

Ihr lila-haariger Möchtegern-Punk-Arsch machte mir keine Sekunde lang Angst. Ihre Zwillingsbrüder hingegen ...

Hael und Loch.

Ich kannte nur die Gerüchte. Dass sie als CEOs von Req Enterprises vor nichts zurückschreckten, um ihr Imperium aufzubauen. Sie machten jeden platt, der sich ihnen in den Weg stellte.

Sie waren sowohl geschäftlich als auch körperlich gigantisch und überragten mit ihrer Größe von fast zwei Metern jeden.

Ich bereitete mich vor und öffnete die Tür.

Was ich drinnen sah, war das schönste und größte Büro, das man sich vorstellen kann. Warum ein Mensch so viel Platz braucht, war mir schleierhaft.

Die Glasdecke schien endlos zu sein und in den Himmel zu ragen. Ein Kamin, der so groß war, dass er eine ganze Wand einnahm.

Ansonsten gab es in dem Büro nur einen langen schwarzen Granittisch und einen leeren Stuhl.

Minimalistisch wäre noch weitaus untertrieben.

Ich dachte, ich wäre allein, aber das war ich natürlich nicht.

„Na, wenn das nicht die kleine Diebin ist ...“ Ich hörte eine dröhnende Stimme. Sie klang langsam, fast gelangweilt.

Ich drehte mich um und sah, wie sich eine Wand öffnete und ein Mann eintrat. Er trug eine Designer-Jogginghose und einen passenden Kapuzenpulli.

Er grinste, während Rauch aus einer verschnörkelten Drachenpfeife strömte.

Ich erkannte ihn sofort von den Werbetafeln. Das war der unvergleichliche Loch Dobrzycka.

Um ehrlich zu sein, wünschte ich, ich könnte sagen, dass er in Wirklichkeit genauso schrecklich aussah wie in meiner Vorstellung, aber die wohlgeformte Brust, die aus seinem ungeöffneten Kapuzenpulli hervorlugte, und seine perfekten Wangenknochen machten ihn sicherlich nicht unansehnlich. Seine lässige Art, seine unbekümmerte Art und sein nerviges Grinsen hatten etwas, das mich neugierig machte.

Der Mann trug nicht einmal Schuhe. Ein Milliardär, und das ist die Art, wie er sich benimmt?

Plötzlich wollte ich wissen, warum.

Wenn man ihn so ansah, konnte man leicht vergessen, was für ein schrecklicher Mensch er war. Seine Augen waren leuchtend smaragdgrün, genau wie die seines Bruders.

Als er näher kam, bemerkte ich, dass sie fast reptilienhaft waren.

„Was willst du von mir?“ fragte ich trotzig.

Er ging desinteressiert an mir vorbei und lehnte sich, immer noch rauchend, gegen den Granittisch.

Der Rauch hatte etwas ... Unnatürliches an sich. Egal, wie lange er paffte, er musste ihn nie anzünden. Als ob ein inneres Feuer das für ihn tun würde.

„Für jemanden, der einen Dobrzycka bestehlen konnte“, sagte er und blickte mir in die Augen, „bist du ziemlich langsam.“

Mein flüchtiges Interesse war augenblicklich verpufft. Ich spürte, wie sich meine Nasenflügel vor Abneigung aufblähten.

Ich war zwar eine gute Lügnerin, aber ich konnte noch nie verbergen, wenn ich jemanden hasste. Er schien meine Gedanken zu lesen, denn sein Grinsen wurde noch breiter und enthüllte seine scharfen Zähne.

Rauch strömte aus seinem Mund. „Und schnell zornig. Gibt es irgendwelche guten ~Eigenschaften, die ich kennen sollte?“~

„Sagt der Mann, der die Menschen in dieser Stadt ausraubt und jeden wie Kaugummi an seiner Schuhsohle behandelt.“

Ich konnte meine eigene Dreistigkeit nicht fassen. Ich hatte es gesagt, bevor ich die Gelegenheit hatte, über die Konsequenzen nachzudenken und senkte schnell den Kopf.

Loch trat schnell zu mir herüber und legte sein Bein zwischen meins, sodass ich es spreizte und errötete.

„Du vergisst, dass ich keine Schuhe anhabe, kleine Straßenratte.“

„Rede nicht so mit mir“, sagte ich wütend.

„Ist es nicht das, was du bist? Du willst über Diebstahl reden.. Ich habe gehört, dass du etwas genommen hast, das dir nicht gehört. Von meiner Schwester, um genau zu sein.“

„Ich weiß nicht, was du ...“

Ich kam nicht dazu, meinen Satz zu beenden. Ich erstarrte, als Loch sich nach vorne lehnte, einen Finger unter dem Träger meines Shirts schob und mich an sich zog. Es hatte etwas Verruchtes an sich, wie er mich heranzog, ohne sich groß anzustrengen.

Wir waren uns so nah, dass ich seinen heißen Atem spüren und den Rauch auf seiner Zunge riechen konnte. Der Geruch eines Waldbrandes ...

„Du bist ganz schön dreist, Straßenratte, das muss ich dir lassen.“ Er grinste. „Aber wenn du noch einmal lügst, fresse ich dich bei lebendigem Leib.“

Das konnte er doch nicht wörtlich meinen ... oder?

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