Gezeichnet vom Alphakönig - Buchumschlag

Gezeichnet vom Alphakönig

Danni D

Der gefallene Engel

ALEX

Als ich die wild aussehende Wölfin vor mir betrachte, die bewusstlos auf dem Boden liegt, frage ich mich, wie sie dem Feuer entkommen konnte … oder ob sie es gelegt hat.

Sie hat etwas Wildes an sich, ist aber definitiv keine Schurkin. Also was zum Teufel macht sie alleine hier draußen?

Ich beuge mich nach unten und untersuche ihren Körper, suche nach einem Zeichen ihres Rudels.

Als ich leicht ihren Arm berühre, wickelt sich plötzlich eine Hand um meinen Hals. Das Mädchen ist wach.

Ihre mutigen, gelben Augen starren mich ängstlich an. Trotz der Tatsache, dass sie versucht, mich zu erwürgen, finde ich sie wunderschön.

„Ich … will dir … nichts … tun“, keuche ich, kämpfe um jedes Wort.

Sie löst ihren Griff und kriecht von mir weg, bis sie an einem Baum anhält, an dessen Stamm sie sich lehnt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Sie ist überraschend stark.

Sie hat eine Schusswunde im Bein und obwohl sie komplett mit Blut bedeckt ist, scheint ihre Wunde komischerweise nicht zu bluten.

„Wer … wer bist du?“, fragt sie und hält ihre Krallen hoch, bereit zu kämpfen, wenn ich zu nah kommen würde.

„Mein Name ist Alex“, sage ich und halte meine Hände beruhigend nach oben. „Was ist hier passiert? Wer hat auf dich geschossen?“

Plötzlich nehme ich noch mehr Gerüche wahr, aber diese sind keine Wölfe … es sind Menschen. Und sie sind tot.

Meine ruhigen Fragen wechseln schnell in ein Verhör.

„Hast du das Feuer gelegt? Und diese Menschen getötet?“, frage ich in einem vorwurfsvollen Ton. „Es verstößt gegen unsere Gesetze, Menschen zu töten. Bist du eine Schurkin?“

„Ich … ja, ich habe das Feuer gelegt. Aber ich bin keine Schurkin. Und das waren nicht nur Menschen … sie waren Jäger“, antwortet sie mit einem schmerzerfüllten Blick in ihren gelben Augen.

„Wenn du keine Schurkin bist, beweis es“, sage ich und komme etwas näher. „Warum bist du alleine hier draußen?“

Sie hebt ihren Arm, um mir ein kleines Halbmond-Tattoo zu zeigen – das Zeichen eines Rudelkriegers.

„Du gehörst zum Halbmondrudel?“, frage ich skeptisch. „Wie bist du hierhergekommen? Das ist die Grenze vom Königsrudel.“

Das Mädchen seufzt verzweifelt. „Bist du taub? Ich sagte Jäger.“

„Ich denke, ich wüsste es, wenn Jäger vor den Grenzen meines eigenen Rudels operieren würden“, sage ich genervt.

„Dein Rudel? Wer hat dich zum König ernannt?“, fragt sie und rollt mit den Augen. „Du bist offensichtlich nur ein einfacher Rudelkrieger, der alleine hier draußen herumstreunert.“

„Und“, fügt sie hinzu, „wenn du die Jäger nicht riechen konntest, die direkt vor deiner Nase waren, dann solltest du vielleicht wieder zurück in die Ausbildung.“

Verdammt, dieses Mädchen ist arrogant. Ich kann nicht glauben, dass sie so mit mir redet.

„Ziemlich praktisch, dass du alle Beweise vernichtet hast, die bewiesen hätten, dass es hier draußen Jäger gibt“, knurre ich.

Überrascht sehe ich, wie Tränen in ihren Augen aufsteigen und ihre harte Schale durchbrechen.

„Ich … ich konnte sie nicht am Leben lassen. Was mir passiert ist … Ich konnte nicht zulassen, dass sie jemand anderem das Gleiche antun.“

Auch wenn meine gesamte Ausbildung mir zuflüstert, dass dieses Mädchen gefährlich ist, hält der Wolf in mir sie für vertrauenswürdig.

Etwas Schreckliches ist diesem Mädchen widerfahren … etwas Traumatisches. Und das knabbert an ihr.

Das Gefühl kenne ich.

„Wie ist dein Name?“, frage ich und fühle mich plötzlich schuldig. Das ist die erste Frage, die ich ihr hätte stellen sollen.

„Ariel. Ariel Thomas.“

Ariel Thomas aus dem Halbmondrudel … welche Geschichte liegt hinter diesen Augen, die mich so sehr an Sonnenblumen erinnern?

Ich reiche ihr meine Hand. „Du musst zu einem Arzt. Erlaubst du mir, dich zum Rudel zu bringen?“

Sie nickt langsam, während sie nach meiner Hand greift, aber als sie versucht aufzustehen, schreit sie schmerzerfüllt auf und ihre Beine geben unter ihr nach. Ich fange sie auf, bevor sie auf den Boden fällt.

Blutend oder nicht, die Schusswunde muss schlimm sein.

„Warum heilt es nicht?“, fragt sie frustriert.

Heilen? Wölfe mögen schneller heilen als Menschen, aber das hier ist eine frische Wunde. Warum erwartet sie, dass sie heilt?

Das Rascheln in den Bäumen um uns herum kündigt die Kriegerstaffel an, die, angeführt von Dominic, auf die Lichtung stürmt.

„Alex, bleib zurück! Sie könnte gefährlich sein“, knurrt Dom, als er sich vor mich stellt. „Ich dachte, du wolltest nichts Dummes machen.“

„Entspann dich, sie ist nicht die Bedrohung Die Bedrohung waren Jäger und die wurden bereits neutralisiert“, antworte ich.

Plötzlich wird mir klar, wie seltsam es ist, dass dieses eine verwundete Mädchen einer ganzen Bande von Jägern entkommen ist und sie alleine töten konnte. Irgendwas passt hier nicht zusammen …

Dom signalisiert einigen Kriegern, die Trümmer zu untersuchen, das Feuer ist jetzt nur noch ein Schwelen.

„Und wer ist das?“, fragt Dom und deutet aggressiv auf das Mädchen in meinen Armen.

Sie schwitzt heftig. Offensichtlich machen ihr die Verletzungen zu schaffen.

„Ariel Thomas“, antworte ich angespannt. „Und sie braucht einen Arzt. Jetzt.

„Warte, du willst sie zum Rudel bringen? Alex, sie könnte eine Schurkin sein oder –“

„Sie ist keine Schurkin“, sagt da einer der älteren Krieger und tritt einen Schritt nach vorne. Ich erkenne Steven, einen der erfahrensten Krieger, der sehr von allen respektiert wird.

„Woher weißt du das?“, fragt Dom skeptisch.

Ariels Augen fallen flatternd zu, als sie in meinen Armen das Bewusstsein verliert. Ich festige meinen Griff um sie, damit sie nicht fällt.

„Weil …“, Stevens Blick wird ernst, als er Ariel anstarrt, „Ich kenne ihren Vater.“

ARIEL

Das leise Piepen meiner Herzfrequenz holt mich aus dem Schlaf, während meine Augen versuchen, sich an das grelle Licht über mir zu gewöhnen.

Die Lumpen sind durch ein Krankenhauskleid ersetzt worden und irgendjemand hat einen Blumenstrauß neben das Bett gestellt.

Plötzlich überkommt mich ein überwältigendes Gefühl und ich spüre, wie mir die Tränen über das Gesicht laufen.

Das ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass ich ohne Ketten oder Fesseln aufwache, die mich an Händen und Füßen festhalten. Ich bin endlich frei.

Ich ziehe die Decke zurück, um mein Bein zu untersuchen. Zu meiner Überraschung hat sich die Schusswunde komplett geschlossen. Als ob ich niemals angeschossen worden wäre.

„Oh, du bist wach!“

Ich werfe die Decke schnell zurück über mein Bein, weil ich die Aufmerksamkeit nicht auf meine heilenden Fähigkeiten lenken möchte.

Ein älterer Mann, ungefähr im Alter meines Vaters, kommt zu meinem Bett. Ich erkenne ihn als einen der Krieger aus dem Wald wieder.

„Bist du hier, um mich zu bewachen?“, frage ich ein wenig sauer.

Ich schätze, ich sollte nicht überrascht sein, dass diese Leute mir nicht trauen.

„Ganz im Gegenteil“, sagt er fröhlich. „Ich komme, um dich zu besuchen. Ich habe dich seit Jahren nicht gesehen, aber du hast immer noch die Augen deines Vaters.“

„Wie hat er dich immer genannt? Seine kleine Kriegerin?“

„Wie … woher weißt du …“ Meine Stimme erstickt.

„Ich kannte deinen Vater vor langer Zeit. Vermutlich warst du erst drei oder vier, als ich dich das letzte Mal gesehen habe.“

„Ist er … kommt er her?“, frage ich und habe plötzlich Angst, dass ihm während der zwei Jahre, die ich fort war, etwas passiert sein könnte.

„Er ist schon auf dem Weg“, antwortet der Mann und lächelt. „Er war überglücklich, als er erfahren hat, dass du lebst und in Sicherheit bist.

Etwa dreißig Minuten lang konnte er nichts anderes sagen als ‚der Göttin sei Dank‘.“

Der Göttin sei Dank ist richtig. Selene ist der einzige Grund, weshalb ich hier bin.

„Es tut mir leid, ich kenne nicht einmal deinen Namen“, sage ich und halte dem Freund meines Vaters die Hand entgegen. „Es ist eine Weile her, seit ich … seit ich richtig mir jemandem gesprochen habe.“

„Mein Name ist Steven, aber du kannst mich Steve nennen.“

Sein Ausdruck wird traurig, als er seine Hand in meine legt. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du durchgemacht haben musst, Ariel.

Wenn du jemanden zum Reden brauchen solltest, bin ich für dich da. Und meine Frau Louisa ebenfalls. Sie hat dir Blumen geschickt und hofft, dass sie diesen kahlen Raum etwas aufhellen.“

„Das ist sehr freundlich“, sage ich und meine Augen werden trüb.

„Es erfordert große Stärke, das zu ertragen, was du durchmachen musstest“, sagt Steve warmherzig. „Eine echte Kriegerin. Wir könnten jemanden wie dich in der Staffel gebrauchen.“

Ein leises Klopfen lenkt unsere Aufmerksamkeit zur Tür, an der Alex steht und einen Strauß Sonnenblumen hält.

„Steve, ich würde gerne mit Ariel sprechen, wenn es dir nichts ausmacht.“

„Natürlich“, sagte Steve und nickt. „Bis bald, Ariel.“

Als er geht, nimmt Alex seinen Platz neben meinem Bett ein und stellt die Blumen in eine leere Vase.

„Das sind meine Lieblingsblumen“, sage ich beeindruckt. „Woher weißt du das?“

„Oh, ähm, tue ich nicht“, stammelt er. „Sie haben mich an deine Augen erinnert.“

Vielleicht ist es nur die unvorteilhafte Leuchtstoffröhre, aber es sieht so aus, als ob Alex' Gesicht rot ist. Ist er rot geworden?

„Ich … es tut mir leid, dass ich ein bisschen … misstrauisch war, im Wald“, sagt er und kratzt sich nervös am Kopf.

„Ich hätte wissen sollen, dass du keine Schurkin bist.“

„Es tut mir auch leid, was ich über die Jäger gesagt habe“, sage ich.

Ich habe das Gefühl, dass ich ebenfalls etwas zu unfreundlich war. „Sie haben sich unter der Erde versteckt. Es war unmöglich zu wissen, was da vor sich geht.“

„Ariel, ich kann mir gar nicht vorstellen …“, sagt Alex, seine Haltung starr. „Die Dinge, die sie dir angetan haben … wir haben ein paar ihrer Folterwerkzeuge in den Trümmern gefunden.“

Sein Gesicht färbt sich wieder rot, dieses Mal vor Wut. „Ich bin froh, dass du dem ein Ende bereitet hast … aber wie? Wie konntest du entkommen?“

Alex scheint wie jemand, dem ich vertrauen könnte, aber ich habe ihn gerade erst kennengelernt. Ich fühle mich nicht wohl dabei, ihm all meine Geheimnisse anzuvertrauen. Und wird er mir überhaupt glauben, falls ich es tue?

Ich weiß immer noch nicht, wie diese ganze Heilungssache funktioniert. Bis jetzt ist es ziemlich unvorhersehbar.

„Alex, ich weiß die Blumen wirklich sehr zu schätzen, aber ich möchte das jetzt alles nicht noch einmal durchleben“, sage ich schnell. „Können wir ein anderes Mal darüber reden?“

„Oh, natürlich“, sagt er und wird nervös. „Worüber möchtest du reden?“

„Naja, wir sind beide Rudelkrieger, nicht wahr? Zumindest … habe ich darauf hintrainiert, eine Rudelkriegerin zu werden. Ich habe es nicht bis zum Abschluss geschafft, bevor ...“

Meine Stimme bricht ab. Vor zwei Jahren wurde mir mein Leben komplett entrissen. Ich habe keine Ahnung, wo wir jetzt stehen. Keine Ahnung, was ich verpasst habe.

Nur weil ich verschwunden bin, heißt das nicht, dass die Welt angehalten und auf mich gewartet hat.

„Du hast viel verloren“, sagt Alex, als ob er meine Gedanken lesen könnte.

Seine Augen treffen meine. „Wenn man etwas verliert … oder jemanden … fühlt man sich einfach fehl am Platz. Es dauert lange, bis man seine Bestimmung wiederfindet.“

Plötzlich bemerke ich, dass Alex meine Hand hält, aber ich entziehe sie ihm nicht.

Ich spüre eine Verbindung zu ihm. Die Art, wie er meinen Verlust versteht, deutet an, dass er selber etwas sehr Wichtiges verloren haben musste.

„Entschuldigung“, sagt unvermittelt ein Arzt, als er das Zimmer mit einem Klemmbrett betritt. „Ich hoffe, ich störe nicht.“

Alex zieht schnell seine Hand zurück. „Ja, worum geht es?“, fragt er und räuspert sich unbeholfen.

„Ich würde gerne ein paar weitere Tests mit Ms. Thomas machen, wenn es okay ist“, sagt der Arzt.

Alex nickt und steht auf, um zu gehen. „Wir reden später weiter, Ariel.“

Als er zur Tür geht, verbeugt sich der Doktor vor Alex. Was zum Teufel?

„Bitte halten Sie mich über ihren Status auf dem Laufenden“, sagt Alex, als der Arzt seinen Kopf wieder hebt.

„Natürlich, mein Alpha.“

Hat er gerade …

Alpha gesagt?

Oh meine Göttin.

Alex ist kein Rudelkrieger. Er ist der Alpha des Königsrudels!

DER ALPHA!

Was auch bedeutet …

dass er der König ist.

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